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Natürliche Selektion (German Edition)

Natürliche Selektion (German Edition)

Titel: Natürliche Selektion (German Edition)
Autoren: H. J. Anderegg
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Mischbatterie zurückzuversetzen, werde ich euch sagen, was zu tun ist.« Er wartete, bis die unfreundlichen Bemerkungen abebbten, bevor er ungerührt weiterfuhr: »Es ist ganz einfach. Wir sind zu fünft, und wir sind fünf Tage hier, also ist jeder für einen Tag verantwortlich.«
    Lorenzo Ricci, der Kardiologe und begnadete Koch, meldete sich erstmals zu Wort: »Zu Befehl, Feldwebel!«, grunzte er. Das heißt, ich gehe viermal auswärts essen. Eure unbeholfenen Gehversuche in dieser Küche möchte ich mir nicht zumuten.«
    »Ich denke nicht, dass wir hier ernsthaft kochen werden, Bocuse«, entgegnete Michel. »Dafür gibt’s gute Kneipen in der Umgebung, wie ich gehört habe. Morgentoilette findet draußen am Brunnen statt, aber es kann nicht schaden, den Ofen anzuheizen und vielleicht etwas heißes Wasser im Herd bereitzuhalten, für Kaffee et cetera. In dieser Höhe wird es nachts wohl ziemlich frisch. Überdies müssen die Petrollampen täglich nachgefüllt werden. Ich schlage vor, dass jeder an einem Tag für Holz, Feuer, Petrol und Licht zuständig ist. So nannte man Energie früher. Damit sollten wir problemlos über die Runden kommen.«
    »Hört, hört«, brummten die Freunde, ohne jedoch ernsthaft Widerstand zu leisten.
    Michel wandte sich nochmals an den Spitzenkoch: »Lorenzo, ich denke, wir alle würden es außerordentlich schätzen, wenn du dich entschließen könntest, einmal hier für uns zu kochen...«
    »Ja, vive Bocuse!«, riefen die andern dazwischen.
    Bei solchen Vorschusslorbeeren konnte Lorenzo nicht ablehnen. »Meinetwegen«, knurrte er, halb beleidigt, halb gerührt. »Aber ihr werdet kräftig mit anpacken müssen. Einkaufen, Kartoffeln schälen und so weiter.« Niemand hatte ein Problem damit.
    Sie verließen die Küche, um den Rest des weitläufigen Hauses zu erkunden. Das harte Massenlager im oberen Stock schockierte keinen der Freunde. Sie hatten nichts anderes erwartet. Die frische Luft und die richtige Dosis Alkohol würden schon für einen gesunden Schlaf sorgen. Kaum hatten sie die Remise durchquert und einen der Räume aufgeschlossen, den Michel aufgrund von Damiens Skizze als Werkstatt bezeichnete, kam Leben in den stillen René. René Sagan, ein blutjunger Biochemiker und bereits eine weithin geachtete Kapazität auf dem Gebiet der Stammzellen-Forschung, redete nicht viel, obwohl er fünf Sprachen fließend beherrschte. Aber mit seinem fotografischen Gedächtnis nahm er alles auf, was ihm vor die Augen kam, ohne es je wieder zu vergessen, wie es schien. So gesehen, war er das pure Gegenteil des Journalisten Alain mit seinem losen Mundwerk.
    »Großer Gott«, rief er aus und starrte ungläubig auf die blitzblank glänzenden Kupferkessel, Stahltanks und elegant geschwungenen Rohre. Behutsam, als könnte er es erschrecken, betastete er das kunstvolle Gebilde, das aussah wie der Wirklichkeit gewordene Traum eines Alchemisten. »Eine wahrhaftige Schnapsbrennerei!«
    »Kannst du sie in Gang setzen?«, war das Erste, was Alain dazu einfiel.
    René ließ sich vom Gelächter der Freunde nicht anstecken. Ehrfürchtig schritt er um die gut erhaltene Antiquität herum, schien jedes Detail ihres eleganten Bauplans in sich aufzusaugen. »Scheint vor noch nicht allzu langer Zeit benutzt worden zu sein«, murmelte er, als er sich endlich vom unerwarteten Fund abwenden konnte.
    Michel nickte. »Eines von Damiens unbekannten Hobbies. Diese vermeintliche Werkstatt ist wohl die Quelle seiner selbst gebrannten ›Grünen Fee‹, die er bei besonderen Gelegenheiten kredenzt.«
    »Die Schwarzbrennerei des Professors ist hier kein Geheimnis«, rief eine dünne Fistelstimme in einem seltsamen Akzent aus dem Dunkel der Remise hinter ihnen. Die fünf Freunde fuhren erschrocken herum und erblickten ein altes Männchen mit schwarzer Zipfelmütze und einer schweren Schrotflinte in der Rechten. Der Alte schien sich köstlich über seine gelungene Überraschung zu freuen und ergänzte grinsend: »Sogar Matthis, der Gendarme, lobt die Fée Verte des Professors.«
    Michel erholte sich als Erster vom Schreck. »Sie müssen Monsieur Durand sein. Ich hoffe, der Professor hat Sie informiert.«
    Der Mann trat näher, machte eine ärgerliche Handbewegung und antwortete: »Napoleon, einfach Napoleon, wie der Franzose. Alle nennen mich so.« Er musterte die Freunde einen nach dem andern mit stechendem Blick, bis er sich schließlich entspannte und ein zufriedenes Lächeln aufsetzte. Er gab jedem die Hand zur Begrüßung
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