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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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zu weit!

    Dem kann ich nichts entgegensetzen; nicht

    Geduld, nicht Überlegung; nichts!
    SITTAH. Was?
    wem?
    RECHA.
    Was sie mir eben itzt entdeckt will haben.
    SITTAH.
    Entdeckt? und eben itzt?
    RECHA.
    Nur eben itzt!

    Wir nahten, auf dem Weg hierher, uns einem

    Verfallnen Christentempel. Plötzlich stand

    Sie still; schien mit sich selbst zu kämpfen; blickte Mit nassen Augen bald gen Himmel, bald

    Auf mich. Komm, sprach sie endlich, laß uns hier

    Durch diesen Tempel in die Richte gehn!

    Sie geht; ich folg ihr, und mein Auge schweift

    Mit Graus die wankenden Ruinen durch.

    Nun steht sie wieder; und ich sehe mich

    An den versunknen Stufen eines morschen

    Altars mit ihr. Wie ward mir? als sie da

    Mit heißen Tränen, mit gerungnen Händen

    Zu meinen Füßen stürzte …
    SITTAH. Gutes
    Kind!
    RECHA.
    Und bei der Göttlichen, die da wohl sonst

    So manch Gebet erhört, so manches Wunder

    Verrichtet habe, mich beschwor; - mit Blicken

    Des wahren Mitleids mich beschwor, mich meiner

    Doch zu erbarmen! - Wenigstens, ihr zu

    Vergeben, wenn sie mir entdecken müsse,

    Was ihre Kirch’ auf mich für Anspruch habe.
    SITTAH.
    (Unglückliche! - Es ahnte mir!)
    RECHA. Ich
    sei
    Aus
    christlichem
    Geblüte; sei getauft;

    Sei Nathans Tochter nicht; er nicht mein Vater! -

    Gott! Gott! Er nicht mein Vater! - Sittah! Sittah!

    Sieh mich aufs neu’ zu deinen Füßen …
    SITTAH. Recha!

    Nicht doch! steh auf! - Mein Bruder kömmt! steh auf!

    SIEBENTER
    AUFTRITT

    Saladin und die Vorigen.

    SALADIN.
    Was gibt’s hier, Sittah?

    101
    SITTAH.
    Sie ist von sich! Gott!
    SALADIN. Wer
    ist’s?
    SITTAH.
    Du weißt ja …
    SALADIN. Unsers
    Nathans
    Tochter?

    Was fehlt ihr?
    SITTAH.
    Komm doch zu dir, Kind! - Der Sultan …
    RECHA.
    (die sich auf den Knien zu Saladins Füßen

    schleppt, den Kopf zur Erde gesenkt).

    Ich steh nicht auf! nicht eher auf! - mag eher

    Des Sultans Antlitz nicht erblicken! - eher

    Den Abglanz ewiger Gerechtigkeit

    Und Güte nicht in seinen Augen, nicht

    Auf seiner Stirn bewundern …
    SALADIN.
    Steh … steh auf!
    RECHA.
    Eh’ er mir nicht verspricht …
    SALADIN.
    Komm! ich verspreche …

    Sei was es will!
    RECHA.
    Nicht mehr, nicht weniger,

    Als meinen Vater mir zu lassen; und

    Mich ihm! - Noch weiß ich nicht, wer sonst mein Vater Zu sein verlangt; - verlangen kann. Will’s auch

    Nicht wissen. Aber macht denn nur das Blut

    Den Vater? nur das Blut?
    SALADIN. (der
    sie
    aufhebt)

    Ich merke wohl! -

    Wer war so grausam denn, dir selbst - dir selbst

    Dergleichen in den Kopf zu setzen? Ist

    Es denn schon völlig ausgemacht? erwiesen?
    RECHA.
    Muß wohl! Denn Daja will von meiner Amm’
    Es
    haben.
    SALADIN. Deiner
    Amme!
    RECHA.
    Die es sterbend

    Ihr zu vertrauen sich verbunden fühlte.
    SALADIN.
    Gar sterbend! - Nicht auch faselnd schon? - Und wär’s Auch wahr! - Jawohl: das Blut, das Blut allein

    Macht lange noch den Vater nicht! macht kaum

    Den Vater eines Tieres! gibt zum höchsten

    Das erste Recht, sich diesen Namen zu

    Erwerben! - Laß dir doch nicht bange sein! -

    Und weißt du was? Sobald der Väter zwei

    Sich um dich streiten: - laß sie beide; nimm

    Den dritten! - Nimm dann mich zu deinem Vater!
    SITTAH.
    O tu’s! o tu’s!
    SALADIN.
    Ich will ein guter Vater,

    Recht guter Vater sein! - Doch halt! mir fällt

    Noch viel was Bessers bei. - Was brauchst du denn

    Der Väter überhaupt? Wenn sie nun sterben?

    Beizeiten sich nach einem umgesehn,

    102

    Der mit uns um die Wette leben will!

    Kennst du noch keinen? …
    SITTAH.
    Mach sie nicht erröten!
    SALADIN.
    Das hab ich allerdings mir vorgesetzt.

    Erröten macht die Häßlichen so schön:

    Und sollte Schöne nicht noch schöner machen? -

    Ich habe deinen Vater Nathan; und

    Noch einen - einen noch hierher bestellt.

    Errätst du ihn? - Hierher! Du wirst mir doch
    Erlauben,
    Sittah?
    SITTAH. Bruder!
    SALADIN.
    Daß du ja

    Vor ihm recht sehr errötest, liebes Mädchen!
    RECHA.
    Vor wem? erröten? …
    SALADIN. Kleine
    Heuchlerin!

    Nun, so erblasse lieber! - Wie du willst
    Und
    kannst!
    -

    (Eine Sklavin tritt herein und nahet sich Sittah.)

    Sie sind doch etwa nicht schon da?
    SITTAH. (zur
    Sklavin)

    Gut! laß sie nur herein. - Sie sind es, Bruder!

    LETZTER
    AUFTRITT

    Nathan und der Tempelherr zu den Vorigen.

    SALADIN.
    Ah, meine guten lieben Freunde! - Dich,

    Dich, Nathan, muß ich nur vor allen Dingen

    Bedeuten, daß du nun, sobald du willst,

    Dein Geld kannst wieder holen lassen! …
    NATHAN.
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