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Nasenduscher: Roman (German Edition)

Nasenduscher: Roman (German Edition)

Titel: Nasenduscher: Roman (German Edition)
Autoren: Tim Boltz
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schnappen.«
    »Okay, aber dann musst du noch ein Lied singen.«
    »Mal sehen.«
    Mühsam schäle ich mich aus dem Sessel und greife nach der Leine. Zu meiner Erleichterung steuert Romeo die richtige Tür an. Die anderen Gäste weichen vor mir zurück, bilden ein Spalier und klopfen mir anerkennend auf die Schulter. Dazu skandieren sie immer noch ihren Schlachtruf: »Catman, catman.«

46
    Blindlinks
    I ch halte dieses falsche Spiel nicht mehr lange aus. Wie kann ich mich feiern lassen, wenn Hans-Herrmann Völker hier an Bord tagtäglich an mir vorübergeht.
    Romeo zieht mich hinaus ins Freie, und wir gehen nach links in Richtung einiger gestapelter Sonnenliegen, die dort über Nacht verstaut werden. Auf dem Außendeck ist es ansonsten stockfinster, und kein Mensch ist zu sehen. Dennoch suche ich mir lieber diese entlegene Ecke des Decks, um wenigstens mal kurz die Brille abzunehmen. Meine Augen brennen, und ich reibe mit den Fingerspitzen darüber, mit denen ich zuvor Romeo auf der Bühne angefasst hatte. Sofort beginnt meine Nase wieder zu kribbeln, und ich niese wie ein Maschinengewehr.
    Hatschi!
    Hatschi!
    Hatschi!
    Hatschi!
    »Diese Scheiße!«, schreie ich in die schwarze Nacht. Ich atme den Sauerstoff tief in meine Lungen und merke, wie sich zwar meine Nase etwas beruhigt. Doch schon macht mir etwas anderes mächtig zu schaffen: der White Russian. Nichtsdestotrotz versuche ich, meine Gedanken zu ordnen. Was für eine Reise, welch eine Odyssee. Übermorgen wird sie ihr Ende nehmen. Wenn die Sache mit Hans-Herrmann Völker nicht wäre, würde ich vielleicht nicht so negativ denken, aber ich muss es einfach tun. Ich kann diesem Mann nicht noch einmal in die Augen schauen und im Anschluss wieder als Blinder über das Schiff laufen. Ich gehe einige Schritte und erkenne schemenhaft eine Gestalt auf einer der freien Liegen sitzen. Erst als ich näher komme, sehe ich, wie die Person einige Haufen dicker Geldscheine zählt und auftürmt. Es müssen Tausende Dollar sein. Der Mann ist so vertieft, dass er mich zuerst nicht bemerkt. Dann erst wird mir klar, dass ich ihn kenne. Der Mann ist niemand Geringeres als der vermeintlich blinde Herr Völker. Ich bin so baff und besoffen, dass ich ihn sofort anspreche.
    »Herr Völker?«
    Erschrocken zuckt er zusammen. Legt schützend die Hände über sein Geld und sieht verstört zu mir herauf.
    »Herr Süßemilch. Ich habe … habe Sie gar nicht kommen sehen.«
    »Ja, das habe ich gemerkt.«
    Sofort sucht Herr Völker nach seiner dunklen Brille, doch es ist zu spät. Er ist ertappt.
    »Was, was machen Sie hier? Und warum führen Sie eine Katze mit sich? «
    Ups, eine berechtigte Frage. Aber ich habe gerade die besseren Karten in der Hand und antworte für mich selbst überraschend deutlich und harsch.
    »Lenken Sie nicht ab. Sie, Sie … Sie sind gar nicht blind, nicht wahr?«
    Herr Völker senkt den Kopf und streicht sich verlegen durchs Haar. Er scheint nach einer Ausrede zu suchen, doch er findet keine und schaut stattdessen zu mir hoch.
    »Ja, verdammt. Sie haben recht. Ich bin nicht blind.«
    »Aber … warum das Ganze?«
    Herr Völker steht auf und kommt auf mich zu. Will er jetzt seinen einzigen Zeugen beseitigen und mich über Bord werfen?
    »Hören Sie, Herr Süßemilch, ich flehe Sie an, verraten Sie mich bitte nicht. Ich schade doch niemandem. Nur dem Kasino, und die können es gut verkraften.«
    »Kasino? Ich versteh kein Wort von dem, was Sie sagen. Was zur Hölle meinen Sie damit?«
    »Wissen Sie, anfänglich war es nur so ein Gedanke. Ich bin nämlich tatsächlich Allergiker, aber die Preise waren so hoch. Und als ich die Angebote sah, dachte ich mir, dass es einen Versuch wert sei.«
    »Und da haben Sie sich als Blinder ausgegeben.«
    »Ja, so ist es. Ich weiß, eine völlig bescheuerte Idee, auf die wohl auch nur ich kommen konnte.«
    »Ach, na ja, das kann man so nicht sagen … Aber was meinten Sie damit, als Sie sagten, dass das Kasino es verkraften könne?«
    »Weil es mit den Vorzügen des Blindseins so gut klappte, habe ich damit begonnen, beim Roulette in den Kessel zu schauen und zu zählen.«
    »Kessel? Welcher Kessel? Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
    »So nennt man das Schummeln beim Roulette. Man schaut in den Kessel, in dem sich die Kugel dreht. Wenn der Croupier die Kugel immer mit dem gleichen Tempo loslässt und man schnell noch kurzfristig setzt, kann man ungefähr sagen, wo die Kugel landen wird. Ich bin halt Mathematiker, und es hat mich
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