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Narrentod

Titel: Narrentod
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Getränkeautomat im Parterre. Dort habe ich mir einen Kaffee holen wollen. Die Garderobe im Keller habe ich einzig wegen des Spiegels aufgesucht, um darin einen kurzen Kontrollblick zu machen und meine Echarpe zu ordnen .«
    »Jetzt kommen Sie mir schon wieder mit einer neuen Variante«, ärgert sich der Polizist. »Warum haben Sie Frau Signorelli dann nicht nach Kaffee gefragt ?«
    Frau Murer sucht nach einer Antwort. Vergeblich.
    »Frau Signorelli hat zu Protokoll gegeben, dass sie Sie zur Garderobe begleitet habe, nachdem Sie um Wasser gebeten hätten. Darauf sei sie in den ersten Stock putzen gegangen. Sie täuschten anschließend vor, das Haus zu verlassen. Stattdessen haben Sie sich aber in einem der Schulzimmer im Parterre versteckt, um auf das Erscheinen des Fulehungs zu warten. Dummerweise haben Sie vergessen, vorher in der Garderobe eines der Tücher wenigstens zum Schein zu entfalten. Das würde Ihre Aussage stützen, sich dort fit gemacht zu haben. Diese Unterlassung wird Ihnen jetzt zum Verhängnis. Das saubere Tüchlein entlarvt Ihre schmutzigen Machenschaften. Ihr helvetischer Ordnungssinn bringt Sie an den Galgen, Frau Murer .«
    Dieses Mal lässt sie sich nicht mehr so schnell aus der Fassung bringen. Sind es meine mitfühlenden Blicke, die ihre Kräfte mobilisieren? Das läge nicht wirklich in meinem Interesse. Geissbühler wirft mir tatsächlich einen warnenden Blick zu, als wollte er damit sagen, ich solle es mit der Rolle des good guy nicht übertreiben.
    »Wozu hätte ich Beat Dummermuth umbringen sollen? Ich kenne ihn nicht mal richtig«, behauptet Murer und greift dazu an ihre Nasenspitze. »Der blöde Lappen beweist überhaupt nichts. Wie kommen Sie zu dieser abstrusen Verdächtigung, Herr Geissbühler ?«
    Sie wendet sich wieder mir zu: »Herr Feller, sagen Sie doch auch etwas. Helfen Sie mir. Ich werde hier innerhalb von fünf Minuten zur Mörderin gestempelt .«
    Mit ihrer direkten Aufforderung bringt sie mich in Verlegenheit. Auf der anderen Seite gibt sie mir damit erneut die Chance, meine Rolle des verständnisvollen Gesprächspartners zu verkörpern. Ich gehe darauf ein.
    »Liebe Frau Murer, regen Sie sich bitte nicht unnötig auf .«
    Sie entspannt sich.
    Ich nutze den Augenblick, um sie an ihren ersten Fehler zu erinnern. »Sie haben sich im Spital darüber gewundert, dass die Darsteller des Fulehungs ausgewechselt wurden .«
    »Ja und?«
    »Das hat uns darauf gebracht, dass Sie am ersten einen Totschlag und am zweiten einen Mordversuch begangen haben könnten«, fährt der Hauptmann fort und beobachtet aufmerksam Murers Mimik. »Sie haben mit zielstrebiger Brutalität und unnachgiebiger Hartnäckigkeit Ihr Ziel verfolgt. Zu Eichenbergers Glück ist Ihnen seine Vergiftung misslungen .«
    Sie wehrt sich und wendet sich an mich. »Herr Feller, was haben Sie da bloß für dummes Zeug weitererzählt? Ich habe Ihnen damals doch nur erklärt, aus welchem Grund ich im Schützenhaus einen Schwächeanfall erlitt .«
    »Einen Nervenzusammenbruch«, korrigiert der Hauptmann.
    »Nein, verdammt. Jetzt hören Sie endlich damit auf, mich als psychisches Wrack darzustellen. Ich hatte wegen der idiotischen Teufelsfratze doch keinen Nervenzusammenbruch. Das ist einfach lächerlich. Ich habe nur die stickige Luft nicht vertragen. Ist das so schwer zu begreifen ?«
    »Nein. Und Sie haben recht: Natürlich ist es lächerlich. Sie hatten den Zusammenbruch auch nicht wegen der Kostümierung, sondern wegen der Auferstehung Ihres vermeintlichen Opfers erlitten«, sagt Geissbühler mit harter, glasklarer Stimme.
    Frau Murer ringt nach Worten, reibt sich nervös das linke Ohrläppchen und schaut mich erneut Hilfe suchend an.
    Mit ruhiger Stimme sage ich: »Es war für mich ein besonderer Augenblick, als Herr Eichenberger seinem Sohn gratulierte. Man spürte väterliche Herzlichkeit .«
    Meine Äußerung scheint sie gerührt zu haben. Nach einem kurzen, stillen Augenblick hat sie sich wieder gefasst. Dann gibt sie vor, sich verschluckt zu haben, räuspert sich mehrmals und erklärt kleinlaut: »Ja, Herr Feller. Es war ein besonderer Moment. Auch für mich. Ich zerbrach beinahe in zwei Teile .«
    »Wie meinen Sie das ?« , frage ich nach.
    Da scheint sie ihre Bemerkung bereits zu bereuen.
    »Vergessens Sie’s. Ich will nur sagen, dass ich die Situation mit gemischten Gefühlen erlebt habe. Das ist alles. Ich hatte diese Gefühle bekanntlich nicht lange, denn ich fiel unmittelbar danach in Ohnmacht. Das wird
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