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Narr

Narr

Titel: Narr
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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hinter ihnen stieg unentwegt schwarzer Rauch in den Himmel über Wien. St. Leopold erschien wie der Fuß der Wolke, die Moses aus Ägypten hinausgeführt hatte. Fast hätte sich auch in Floridsdorf das Wort der Prophezeiung erfüllt.
    Auf dem Parkplatz vor der Kirche stoppte ein Polizeiwagen und zwei Beamte sprangen aus dem Fahrzeug. Als die beiden Uniformierten Paul und Georg auf sich zukommen sahen, liefen sie ihnen entgegen. Einer zog grinsend den Schlagstock aus dem Gürtel.
    »Da kommen Dirty Harry und Eliot Ness«, stöhnte Paul und blieb stehen. »Berner wäre stolz. Die Polizei, dein Freund und Helfer.«
    Die beiden Beamten hielten vor Sina und Wagner an und einer stupste Paul mit dem Schlagstock auf die Brust.
    »Professor Sina und Paul Wagner?«, fragte er.
    »In vollem Leben, glücklicherweise«, antworte Paul und lächelte den Polizisten mit dem Schlagstock an.
    Dieser machte einen Schritt nach vorne und holte aus, aber sein Kollege hielt ihn mit einer Hand zurück. »Ist der Mann verletzt?«, fragte er und musterte Sina mit zusammengekniffenen Augen.
    »Wenn du mich fragst, nicht schwer genug«, zischte der erste und rammte Georg den Schlagstock in den Bauch. Sina stöhnte auf und fiel auf die Knie.
    Paul holte aus und schlug dem Polizisten mitten ins Gesicht. Im nächsten Augenblick hagelte es Hiebe und Tritte auf Wagner und Sina. Schnell lagen sie, die Hände mit Handschellen auf den Rücken gefesselt, auf dem Bauch.
    »Wir könnten euch zwei Arschgeigen jetzt ohne Weiteres wegen Brandstiftung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Einbruch einbuchten …«, brüllte der Exekutivbeamte mit dem Stock in Wagners Ohr. »Aber ihr habt Glück, ihr seid eingeladen. Zu einer Pressekonferenz.«
    Der andere fächelte sich mit der Hand frische Luft unter die Nase. »Auch wenn ihr stinkt wie die ärgsten Schnapsbrüder.«
    Mit tönenden Sirenen trafen die ersten Feuerwehren am Kinzerplatz ein und die Männer mit den glänzenden Helmen sprangen aus den Lkws.
    »Wir setzen euch zwei Vögel wie befohlen am Kagraner Platz in die U-Bahn. Dort übernehmen euch dann die Kollegen. Und dann – auf Nimmerwiedersehen.«
    Präsidentschaftskanzlei, Ballhausplatz, Wien/Österreich
    B itte zurücktreten, Zug fährt durch!«, ertönte es aus den Lautsprechern der U-Bahn-Station »Stephansplatz«. Kurz darauf rauschte ein Triebwagen mit der Aufschrift »Sonderzug« an den verdutzt dreinschauenden Wartenden am Bahnsteig vorbei. Auf den Infoscreens der Haltestelle, vor denen sich kleine Trauben gebildet hatten, stand als Headline neben einem Bild des Bundespräsidentenamtes zu lesen: »Banges Warten auf Neuigkeiten aus der Hofburg«.
    Paul schaute beim Fenster hinaus auf die Männer und Frauen, die in Windeseile an ihm vorbeiflogen.
    »Die haben keine Ahnung, was auf sie zukommt«, sagte er zu Georg, der auf der Sitzbank gegenüber mehr lag als saß.
    »Dann sind sie in guter Gesellschaft«, gab Sina zurück, »ich weiß es auch nicht.« Er presste ein Taschentuch auf seine geplatzte Augenbraue und sah aus wie mit knapper Not einer Wirtshausrauferei entkommen – allerdings zu spät.
    Die Station verschwand wieder in einem Lichtwirbel und Paul schloss erschöpft die Augen. Er fragte sich, was aus Berner, Valerie und Burghardt geworden war. Die Polizisten hatten ihn nicht telefonieren lassen. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich völlig ratlos. Hatte Johann recht gehabt mit seiner Theorie? War das Senfgas verbrannt und damit unschädlich geworden? Oder war alles umsonst gewesen und das Licht am Ende des Tunnels war nur ein entgegenkommender Zug?
    »Wir sind schon ein bedauernswerter Anblick«, meinte er zu Sina, der die Augen geschlossen hatte, vor sich hin dämmerte und nickte. Sie waren beide am Ende ihrer Kräfte. Oder war Georg eingeschlafen und das Nicken seines Kopfes war nur die Erschütterung der U-Bahn?
    Haben wir verloren, fragte er sich, und ein Gefühl der Niederlage breitete sich in ihm aus. War alles umsonst, hatte die Schattenlinie erreicht, was sie wollte? Die Falten in seinem Gesicht schienen ihm so tief wie noch nie. Hoffentlich werde ich jemals so alt, wie ich aussehe, dachte er sich. Wir haben uns in den letzten Tagen geschunden, als gäbe es kein Morgen. Und wofür? Diesmal war es nicht für eine Schlagzeile, eine Story oder den Traum vom sorglosen Leben in der Karibik. Nein! Diesmal war es für etwas, wovon er überzeugt war. Deshalb würde das Scheitern noch bitterer schmecken. Vielleicht waren sie
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