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Nana

Titel: Nana
Autoren: Émile Zola
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tragischen Untergang des Grafen Muffat, dem bleichen Leichnam des armen Georges, bewacht von Philipp, der tags vorher das Gefängnis verlassen hatte. Ihr Werk der Zerstörung und des Todes war vollbracht. Die Fliege, die aus dem Unrat der Vorstädte gekommen war und das Gift der sozialen Fäulnis mit sich gebracht hatte, hatte alle diese Männer durch eine einfache Berührung vergiftet. Das war gut, das war gerecht, sie hatte ihre Klasse gerächt, die Klasse der Bettler und der Verlassenen. Während ihr Geschlecht ruhmvoll aufstieg und über die hingestreckten Opfer triumphierte, glich sie der aufsteigenden Sonne, die ein blutgetränktes Schlachtfeld beleuchtet, behielt sie die Kaltblütigkeit eines prächtigen Raubtieres. Sie hatte keine Ahnung davon, was sie tat, sie blieb das gutmütige Mädchen von früher. Sie blieb groß und dick, froh und gesund. All das zählte für sie nichts mehr; ihr Haus schien ihr einfältig, zu klein, angestopft mit Möbeln, die ihr nur im Wege waren. Ein wahrer Bettel, kaum gut genug für den Anfang. Sie träumte etwas Besseres, und sie fuhr aus, um Satin ein letztes Mal zu umarmen. Dabei hatte sie ein sauberes, solides, fast neues Aussehen, als sei ihre Vergangenheit nicht gewesen.
     

Vierzehntes Kapitel.
     
    Nana war plötzlich verschwunden; man erzählte von einer Flucht in unbekannte Länder mit seltsamen Namen. Vor ihrer Abreise hatte sie sich noch das Vergnügen bereitet, ihr Hab und Gut zu versteigern; das Haus, die Möbel, das Geschmeide, selbst die Toiletten und die Wäsche. Man erzählte, daß sie an sechshunderttausend Franken eingenommen habe. Paris hatte sie das letztemal als Schauspielerin in dem Ausstattungsstück » Melusine « im Possentheater gesehen, das Bordenave, ohne einen Sou zu besitzen, auf gut Glück gemietet hatte. Sie hatte sich da wieder mit Prullière und Fontan zusammengefunden. Ihre Rolle war einfach die einer Statistin, die allerdings drei »plastische« Stellungen einer stummen, aber um so mächtigeren Fee hatte. Inmitten des großen Erfolges, als Bordenave mit Hilfe ungeheurer Reklame und Plakate ganz Paris in Erregung versetzt hatte, erfuhr man eines Tages, daß sie am Abend vorher nach Kairo abgereist sei. Als Ursache erwähnte man einen kleinen Wortwechsel mit ihrem Direktor, ein Wort, das ihr nicht paßte; es war eben die Laune einer Frau, die zu reich war, um sich ärgern zu lassen. Übrigens war es schon seit längerer Zeit ein Lieblingsgedanke von ihr, zu den Türken zu gehen.
    Monate verflossen, man vergaß sie. Als ihr Name wieder auftauchte, waren die seltsamsten Geschichten über sie im Umlauf. Jeder wußte etwas anderes zu erzählen. Man sagte, sie hätte den Vizekönig erobert und herrsche in einem Palaste über zweihundert Sklaven, denen sie zu ihrer Belustigung die Köpfe abschlage. Ein anderer meinte, nichts von alledem sei wahr; im Gegenteil, sie habe sich mit einem langen Neger ruiniert, der sie ohne ein Hemd zurückgelassen. Es sei eine schmutzige Leidenschaft von ihr gewesen, wie man ähnliche nur in den scheußlichen Ausschweifungen von Kairo antreffe.
    Zwei Wochen später erzählte man zum allgemeinen Erstaunen, daß sie in Rußland gesehen worden sei. Es bildete sich eine förmliche Legende, sie sei die Geliebte eines Prinzen, man erzählte Wunderdinge von ihren Diamanten. Alle Damen ihrer früheren Bekanntschaft kannten diese Diamanten genau, ohne sie jemals gesehen zu haben, nur nach den Schilderungen. Es gab da Ringe, Ohrgehänge, Armbänder, ein zwei Finger breites Halsgeschmeide, ein königliches Diadem, aus dem ein daumengroßer Brillant hervorrage. In dem Scheine dieser fernen Länder nahm sie den geheimnisvollen Glanz eines Götzenbildes an, das beladen mit Edelsteinen ist. Jetzt sprach man mit Ernst und Achtung von ihr; sie hatte bei den Barbaren ihr Glück gefunden.
    An einem Juliabende gegen acht Uhr begegnete Lucy, die durch die Vorstadt Honoriusstraße fuhr, Karoline Héquet, die in der Nachbarschaft eine Bestellung zu machen hatte und jetzt zu Fuße heimkehrte.
    Sie rief Karoline herbei und sagte:
    Du hast gegessen und bist frei, komm mit mir ... Nana ist zurückgekehrt.
    Karoline stieg ein und Lucy fuhr fort zu erzählen:
    Noch mehr, während wir hier plaudern, ist sie vielleicht schon tot.
    Tot! das ist doch merkwürdig, rief Karoline verblüfft. Und wo denn, woran ...
    Im Grand Hotel; sie hat die Blattern. Es ist eine ganze Geschichte.
    Während der Wagen Lucys im vollen Trab durch die Königsstraße und
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