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Nachtwandler (German Edition)

Nachtwandler (German Edition)

Titel: Nachtwandler (German Edition)
Autoren: Jule Becker
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und schüttle bedauernd den Kopf. Das tue ich wirklich. Ich hebe Zeigefinger und Mittelfinger an meine Lippen, setze einen Kuss darauf und berühre anschließend seinen Mund. Er schließt die Augen und kurz darauf fühle ich eine feuchte Zunge, die über die Haut meiner Finger kitzelt. Ich packe ihn im Nacken und ziehe ihn zu mir. Schwer atmend presse ich die Nase gegen seine Stirn. Oh Gott, ich will ihn küssen, ich will es so sehr.
    Es dauert einen Moment, bis ich wieder fähig bin, einigermaßen normal zu atmen. Was zum Teufel ist nur mit mir los? So habe ich noch nie auf einen anderen Mann reagiert. „Trinkst du noch was mit mir?“, frage ich ihn schließlich, einfach, damit die unangenehme Stille unterbrochen wird.
    „Gibst du mir einen aus?“, erwidert er verschmitzt.
    „Klar“, antworte ich und löse mich von ihm. Wir verlassen den Raum gemeinsam. Es dauert einen Augenblick, bis wir uns durch all die Männer hindurch einen Weg zurück zur Bar gebahnt haben.
    Rolf stellt mir das Übliche vor die Nase und wendet sich fragend an Felix. „Was hättest du gerne?“
    „Was trinkst du da?“, möchte Felix von mir wissen und deutet auf das Glas vor mir.
    Ich zucke mit den Achseln. „Cola mit einem winzigen Schuss Whisky und 'nem Eiswürfel“, rattere ich herunter. „Mein Standardgetränk. Die härteren Sachen sind nichts für mich, sonst kippe ich spätestens um zwei Uhr morgens aus den Latschen.“
    Er legt den Kopf schief und lächelt mich an. Fasziniert betrachte ich sein Gesicht. Nicht nur, dass ich mir eine baldige Wiederholung dessen wünsche, was eben zwischen uns passiert ist, auch mein Magen schlägt beim Anblick dieses Lächelns einen Salto. Verdammt, was ist denn nur los? Es ist ja nun nicht gerade so, dass ich vor ihm schon ewig keinen Sex mehr gehabt habe und entsprechend ausgehungert bin.
    „Ich nehme dasselbe.“ Nachdem ich registriert habe, wovon mein Gegenüber gerade spricht, gebe ich Rolf ein Zeichen und kurz darauf hat auch Felix ein Glas in der Hand. „Danke“, meint er zwinkernd und stößt anschließend mit mir an. „Du hattest übrigens recht“, sagt er kurze Zeit später.
    „Womit?“, frage ich nach.
    „Ich bin heute das erste Mal hier“, antwortet er und nimmt einen großen Schluck von seinem Getränk.
    „Hast du bisher auf dem Mond gelebt?“, will ich grinsend wissen.
    „Mangelnde Bescheidenheit kann man dir nicht gerade vorwerfen.“ Amüsiert schüttelt er den Kopf.
    Ich zucke mit den Schultern. „Nein, ich kenne nur meinen Wert, beziehungsweise den des Dorian. Der nächste Club für uns Homos ist gut 50 Kilometer entfernt. Irgendwann schlägt jede Schwester aus der Gegend hier auf.“
    „Ich bin erst vor gut einem halben Jahr hierher gezogen“, erwidert er.
    „Woher kommst du?“ Ich weiß zwar nicht so genau warum, aber ich will es wirklich wissen. Ich will alles über ihn wissen.
    „Ich habe lange in Köln gewohnt“, antwortet er.
    „Was hat dich in unsere Gegend verschlagen?“
    „Du bist ganz schön neugierig.“ Er sieht mich belustigt an.
    „Nur vielseitig interessiert“, korrigiere ich ihn gut gelaunt.
    „Ich brauchte einfach einen Tapetenwechsel.“ Er greift nach seinem Glas und nimmt einen Schluck daraus.
    „Und warum ausgerechnet nach hier in die Pampa? Hier sagen sich doch Fuchs und Hase gute Nacht.“
    Er zuckt mit den Achseln. „Mein Bruder wohnt in der Nähe. Er hat vor ein paar Jahren geheiratet. Er und seine Frau haben vor drei Monaten Zwillinge bekommen.“
    „Was ist mit deinen Eltern? Leben sie noch in Köln?“
    „Ja“, antwortet er knapp.
    „Du musstest sicher noch andere Leute in Köln zurücklassen, die dir etwas bedeutet haben, oder? Einen Freund vielleicht?“ Was tue ich hier eigentlich? Seit wann unterhalte ich mich mit den Kerlen, die ich kurz vorher abgeschleppt habe? Es ist doch scheißegal, ob er in Köln einen Typen sitzen hat oder nicht. Ich könnte ihn genauso gut jetzt einfach stehen lassen und nach oben gehen. Ich bin sicher, er würde es sogar verstehen. Ich tue es jedoch nicht, warte stattdessen gespannt auf eine Antwort.
    „Leo, nimm’s mir bitte nicht übel, aber ich will nicht über Köln sprechen, okay?“, erwidert er ein wenig genervt. Im ersten Moment bin ich überrascht, vielleicht auch etwas eingeschnappt durch den rüderen Ton, dann jedoch nicke ich anerkennend. Es gibt nicht viele Männer, die mir Contra geben, von Daniel einmal abgesehen. Es ist eine willkommene Abwechslung.
    Ich lache leise.
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