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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren
Autoren: Alison Sinclair
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war er feucht geworden oder schon älter, als er gedacht hatte. Er hatte sich zu sehr daran gewöhnt, dass sich Diener sowohl in Telmaines als auch in seinem Haushalt um dergleichen Dinge kümmerten, und so fand er im Sommer, wenn er das Haus allein bewohnte, immer wieder verschimmeltes Brot oder Kartoffeln mit langen Keimen vor. Er gab etwas Honig in seinen Tee, um den Geschmack zu übertönen, weil er sich nicht dazu aufraffen konnte, aufzustehen und eine frische Kanne zu kochen. Er trank noch eine zweite Tasse, die viel besser schmeckte, und aß dazu eine dicke Scheibe Toast mit Honig. Trotz ihrer Unpässlichkeit und ihres mitgenommenen Zustands nippte Tercelle nur vorsichtig an ihrem Tee. Die Säuglinge schienen sich wieder beruhigt zu haben.
    Trotz aller Anstrengungen wollte es ihm nicht gelingen wach zu bleiben. Natürlich wusste er, dass es eine extreme Unhöflichkeit bedeutete, jetzt einzuschlafen. Als Letztes nahm er wahr, wie sie ihm vorsichtig die Tasse aus der Hand nahm und sagte: »Es ist schon gut, Balthasar. Schlaf jetzt einfach.«
    Balthasar
    Das Läuten der Glocke zum Sonnenaufgang weckte ihn. Er hatte Mühe, sich aus den Fängen tiefen Schlafs und eines unzusammenhängenden Traums freizukämpfen. Telmaine stand auf den Stufen vor seiner Haustür, hämmerte gegen die Tür und bat darum, eingelassen zu werden. Er war zornig; sie war zu lange tanzen gewesen, hatte sich den Frivolitäten eines Lebens überlassen, das sie angeblich hinter sich hatte. Deshalb würde er sie abweisen und einfach verbrennen lassen. Dann wusste er plötzlich, dass er zur Tür gehen und sie hereinlassen musste, aber er konnte sich nicht bewegen. Er hörte seinen eigenen unartikulierten Schmerzensschrei. Ein Luftzug strich ihm um die Füße.
    Dieser letzte Eindruck brachte ihn auf die Beine, wenn auch nur taumelnd und mit hängendem Kopf. Die Echos, die er empfing, waren verrauscht und vielfach gebrochen, Tisch, Herd, Spüle und Wiege drehten sich um ihn. Die Küche schien verlassen, und aus der Wiege kam nicht der geringste Laut. Dorthin wandte er sich zuerst, verlor das Gleichgewicht und stützte sich mit einer Hand auf der Wiege und der anderen auf dem Herd ab. Der Schmerz ernüchterte ihn schlagartig. Er befand sich in der Küche; dort war er mit Tercelle gewesen und eingeschlafen, ohne es zu wollen, und jetzt war außer ihm niemand mehr hier, die Wiege leer und die Hintertür offen. Und die Glocke zum Sonnenaufgang läutete.
    Aus Gewohnheit nahm er den Schlüssel vom Haken, während er durch die Tür stolperte und dabei mit der Schulter gegen den Türpfosten stieß. Er fand sie draußen in dem engen, von hohen Wänden umgebenen kleinen Garten. Sie legte etwas auf den breiten Vogeltisch, wischte ihn mit damenhaft leichten Bewegungen ihrer behandschuhten Hände sauber. Sie war vollständig angekleidet und trug sogar den Umhang, in dem sie gekommen war. Jetzt schwang der Umhang auf verwirrende Weise um sie herum, als sie Balthasars Sondierung spürte und sich zu ihm umwandte.
    »So ist es am besten«, sagte sie nach kurzem Schweigen.
    Er schwankte auf der Schwelle, den Schlüssel in der Hand. Dann tastete er hinter sich, fand die Türklinke und zog die Tür hinter sich zu. Tercelle eilte zu ihm, während er den Schlüssel ins Schloss stieß, immer noch mit den Bewegungen eines Betrunkenen. Seine verbrannte Hand schmerzte, aber er schaffte es, den Schlüssel umzudrehen, aus dem Schloss zu ziehen und hinter seinem Rücken festzuhalten, um so ihrem Ansturm standzuhalten.
    »Bist du verrückt? Schließ die Tür auf.« Selbst in ihrer Furcht klang Herrschsucht mit und Ungläubigkeit, nicht so sehr angesichts der Ungeheuerlichkeit dessen, was er tat, sondern eher angesichts der Unverschämtheit, die darin lag. »Spürst du die Sonne nicht?«
    Noch nicht, aber bald. Bald würde der Schmerz beginnen und danach der Todeskampf. Die Möglichkeit, das größte aller Mysterien zu durchdringen, mäßigte nicht im Mindesten seinen heftigen Herzschlag. Er hatte geglaubt, ihm bliebe vorher noch viel länger Zeit, sein Leben zu genießen. Nichtsdestotrotz achtete er darauf, die Stimme nicht zu erheben; obwohl seine Worte undeutlich klangen, bemühte er sich, ein verständliches Nuscheln vorzubringen. »Wir haben immer noch Zeit zu reden.«
    » Worüber zu reden? Ich tue nur, was ich tun muss!« Sie versuchte an ihm vorbeizukommen, um ihm den Schlüssel zu entwinden. Trotz seiner Koordinationsstörungen war sie zu schwach, ihn zu überwinden;
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