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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner
Autoren: Myra Çakan
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einmal ganz seltsam klingen. Ric grinste wieder, ohne dass das Lächeln seine Augen erreichte. Er wusste, diese Nacht war nicht seine Bestimmung, auf eine kalte, überlegte Art war er sich ganz sicher.
    Dreikommazwei Meilen, Dunst lag auf der Straße. Für einen kurzen, irren Moment glaubte er, dass der ausgebrannte Truck vor ihm lag und er gleich in das Wrack knallen würde. Hastig drückte er einen Treibsatz, er erkannte die Warnzeichen, wenn er sie sah. Er spürte, wie das Adrenalin durch seine Adern schoss, wie es in die Maschine floss und sie nicht mehr voneinander zu unterscheiden waren, er und sein Toyo. Das machte es aus, das Talent. Dacko hatte einmal ein ganz langes Wort dafür gehabt – kinästhetisches Wahrnehmungsvermögen, so nannte er es. Ric wusste nur eins: er war der Zweihundert-Meilen-Mann aus Stahl und Geschwindigkeit. Der Surfer mit dem Wahnsinnsbrett unter den Füßen, auf Quecksilberwellen, das war er, als er mit dem Fahrzeug in die undurchdringliche Brühe eintauchte. Noch spürte er die Straße unter sich, noch war er auf Kurs, schneller als der Schall und nur Instinkt und Reflex. Die Metallhülle des Wagens umgab ihn wie ein zweiter Körper, Scanner und Radar wurden zu seinen Extrasinnen.
    Aber auch die anderen waren da. Ließen ihre Visiere fallen, und das Mündungsfeuer ihrer Kanonen glich brennenden Augen. Feurige Löcher brannten sie in den Asphalt, in die Nacht. Doch heute konnte sie ihn nicht verletzen, ein Lächeln geisterte um seine Mundwinkel; heute hatte er die Magie des Gewinners.
    Und dann war sie wieder da, die Mauer auf der Straße, ganz real diesmal. Barrikader. Unaufhaltsam kroch er ihm entgegen: dem gefürchteten Ungeheuer aller, Roadrunner und Greifer. Doch noch hatte er alle Nanosekunden der Unzeit auf seiner Seite. Fast zärtlich drückte er auf den Auslöser des Granatwerfers – für die Erinnerung und die Unsterblichkeit. Dann erst riss Ric das Steuer herum und schleuderte über Felsen, Sand und wieder Felsen. Der Toyo hob ab, vier Räder drehten leer, der Horizont kippte, und wieder eine Mauer. Ric presste die Lider zusammen, seine Eingeweide verkrampften sich in Erwartung des Aufpralls, er hörte das Kreischen überdehnten Metalls, die Ausläufer der Schockwelle schüttelten ihn, dann – Stille.
    Vorsichtig öffnete er die Augen. Vor ihm war Dunkelheit, undurchdringliche Schwärze. Ric atmete endlich aus, die Hölle war hinter ihm, bei den Barrikaden, den explodierenden Tanks und der Glut, die wie Geisterschleier die Nacht peitschten.
    Er wusste, vor ihm konnten sie auf ihn lauern, die Barrikader, bereit, ihm seine Schmuggelware abzunehmen. Freibeuter der Nacht wie er – aber war er nicht unbesiegbar? Sein Kopf fiel nach vorne.

    Stunden später – die graue Morgenröte vermischte sich mit dem Widerschein der Glut, die immer noch von den ausgebrannten Wracks ausstrahlte – dehnte Ric vorsichtig seine Muskeln. Die Dellen und Löcher in der Karosserie des Toyos manifestierten sich in seinem Körper zu schmerzenden Prellungen und Blutergüssen. Und? Er war am Leben, und nur das zählte. Er riss die Verkleidung unter dem Instrumentenbord ab und tastete nach der Stickstoffbombe. Die Anzeigen standen im grünen Bereich, warum sollte er also nicht annehmen, dass die Ware noch o. k. war?
    Hörst du, Dacko, ich hab’s wieder geschafft, bin bereit für die nächste Tour. Ich, Ric, der heißeste Roadrunner, der jemals über diese Straße gefetzt ist.
    Er fühlte sich immer noch high, trotz der Schmerzen, die über seinen Körper krochen, knallte den Gang rein und zog den Toyo zurück auf die Straße, seine Straße, für immer. Daran würde auch Blue Jay nichts ändern, mit all den unausgesprochenen Fragen in seinen alten Kinderaugen.
    Und irgendwie tauchte er auf, wie ein Gespenst aus dem Nebel, die silbernen Metallfäden glühten unwirklich auf seiner Haut.
    »Hi, Ric.« Er verzog die Lippen zu einem Willkommenslächeln. »Bist früh auf heute.«
    Heute – das hieß, die Nacht war zu Ende, und mit ihr waren die Geschöpfe der Finsternis verschwunden. Er hatte sie in seinen Kopf gelassen, aber nun war er zurück, zurück in der Echtzeit.

Fremde Schatten

Nachtzeit ist meine Zeit.
Dunkelheit, samtige Schwärze,
gebt mir Sicherheit.

    Tief zog ich mir die Kapuze ins Gesicht, als ich hastig den hell erleuchteten Boulevard mit seinen flanierenden Besuchern überquerte. Aufatmend lehnte ich mich an die schlampig verputzte Rückwand von Hanjis Off-World-Souvenirladen. Hier
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