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Nachruf auf eine Rose

Titel: Nachruf auf eine Rose
Autoren: Elizabeth Fenwick
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über die Augen und blinzelte in die Dunkelheit. Doch dann zog eine Bewegung ganz in der Nähe ihre Aufmerksamkeit auf sich, und sie drehte sich um, um die Zufahrtsstraße zum Hafen besser im Auge zu haben. Eine große, schlanke Gestalt bewegte sich erst auf den Hafen zu und schwenkte dann in ihre Richtung ab. Im ersten Augenblick dachte sie schon, Alex sei endlich gekommen; fast hätte sie ihm laut zugerufen, doch sie konnte sich gerade noch zurückhalten. Irgendetwas stimmte hier nicht.
    Alex hatte gesagt, er würde eine Taschenlampe in der Hand halten und ihr durch dreimaliges Aufblinken signalisieren, dass er gekommen wäre. Doch dieser Mann ging vornübergebeugt, die Hände tief in den Taschen vergraben, gegen den Wind an, und etwas an seinem Gang war anders. Dieser Mann war zu groß. Das war nicht Alex.
    Eine Falle! Sie hatten Alex gefangen, und dieser Mann war geschickt worden, um sie in eine Falle zu locken. Ihre Pistole hatte sie den Flammen in Wainwright Hall überlassen. Ohne eine Waffe und ganz allein sah sie keine Möglichkeit, ihm zu entkommen. Noch war er gut hundert Meter weit entfernt; auch schien er es nicht gerade eilig zu haben. Wenn sie schnell genug wäre, könnte sie es noch bis zu ihrem Boot schaffen und flüchten. Das war die einzige Chance, die sie hatte.
    Zu ihrer Rechten donnerte die See in schwarzen Brechern gegen die Hafenmauer. Vor ihr, am Anlegeplatz, zerrte ihr Boot an seiner Vertäuung, begierig, sich loszureißen. Sie nahm den Koffer und rannte los. Ein eisiger Wind schlug ihr entgegen, weiße Schaumkronen kräuselten sich auf dem Wasser. Unter ihren bloßen Füßen spürte sie die nassen Steine der Mole. Gischt spritzte hoch und benetzte ihr Gesicht. Sie hörte, wie der Mann ihren Namen rief, und rannte noch schneller: Es war Fenwick! Das Gewicht des Koffers behinderte sie beim Laufen, doch er enthielt ihre ganze Zukunft, und sie durfte ihn nicht zurücklassen.
    Als sie das Boot erreicht hatte, vernahm sie von neuem das Rufen hinter sich. Die Nacht war nun so schwarz, dass sie kaum die Instrumente auf dem Armaturenbrett erkennen konnte. Im flackernden Licht ihres Feuerzeugs suchte sie das Zündschloss, fand es und drehte den Schlüssel herum. Der Motor stotterte, doch nach ein paar Versuchen sprang er an.
     
    Fassungslos starrte Fenwick auf das kleine Boot. Er konnte einfach nicht glauben, dass Sally so tollkühn wäre und allen Ernstes versuchen würde, den Hafen zu verlassen und aufs offene Meer hinauszufahren. Meterhohe Wellen schlugen krachend über die Hafenmauer und bedeckten bei ihrem Rückzug die rauen Betonblöcke und algenbesetzten Felsen mit schäumender Gischt.
    Noch einmal rief er ihr zu: «Halt! Polizei! Bleiben Sie da!», doch dann sah er, wie das Wasser plötzlich aufwirbelte und sie die Leine losmachte.
    «Sally, um Gottes willen! Kommen Sie zurück! Das schaffen Sie doch nie!»
    Er konnte nicht sagen, ob seine Worte bis zu ihr durchdrangen. Scheinbar unbeirrbar fuhr sie auf das aufgewühlte Wasser bei der Hafenausfahrt zu. Die Mole war wie ein schützend ausgestreckter Arm aus Felsbrocken und Betonblöcken, ungefähr eineinhalb Meter breit und gut dreieinhalb Meter hoch. Oben verlief ein begehbarer, unebener Weg. Fenwick begann über die glitschigen Steine zu laufen. In nur wenigen Sekunden war seine Kleidung völlig durchnässt. Zweimal wurde er von der Gischt erfasst und zu Boden geschleudert und hatte Mühe, sich an die rutschigen Felsen zu klammern. Er war jetzt so dicht an dem Boot, dass er Sally deutlich sehen konnte: Weiß wie der Tod und mit weit aufgerissenen Augen blickte sie stur geradeaus.
    Hilflos beobachtete er, wie das kleine Boot in die wirbelnden Wassermassen am Ende der Hafenmauer geriet und in wildem Tanz hin und her geschleudert wurde. Die Macht der See war so gewaltig, dass es ein paar Mal so aussah, als würde sie rückwärts getrieben, doch endlich hatte sie die offene See erreicht.
    «Sally! Tun Sie das nicht! Kommen Sie zurück!»
    Als hätten seine Worte sie erreicht, drehte sie sich zu ihm um, und in dem schwachen Leuchtfeuer sah es so aus, als lächelte sie und schüttelte den Kopf. Er hatte jetzt beinahe das Ende der Mole erreicht. Die Wellen hier draußen waren noch gewaltiger als weiter an Land, und nur mit Mühe gelang es ihm, das Gleichgewicht zu halten. Immer noch war er wie besessen davon, Sally aufzuhalten, sie davor zu bewahren, in den sicheren Tod zu fahren. Ihr Boot wirkte jetzt winzig in den riesigen Wogen und er bemerkte,
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