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Nachrichten an Paul

Nachrichten an Paul

Titel: Nachrichten an Paul
Autoren: Annegret Heinold
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keine Ahnung, wie man sowas wieder ungeschehen machen kann, wo zum Teufel kann man solche aus Versehen abgeschickten Facebook-Nachrichten wieder löschen, ich weiß es nicht, und ehe ich mich versehe, habe ich die Nachricht gleich nochmal geschickt.
    Jetzt steht es da gleich zweimal, das ist die Strafe, wenn man etwas benutzt, ohne es richtig zu beherrschen. Ich hoffe auch, dass man nicht sehen kann, wie oft ich diese Seite aufgerufen habe. Ist das möglich? Kann man das sehen, wie oft der andere die Nachrichten liest? Und wenn ja, hoffe ich doch, Paul hat zu sowas gar keine Zeit. Und außerdem hat er an sowas überhaupt kein Interesse. Männer sind da schließlich anders. Und das müsste ich doch eigentlich wissen. Erstens, weil ich das in meinem Alter nun wirklich gelernt haben sollte, und zweitens, weil sie auf dem Rückflug von Vancouver womöglich extra für mich – und natürlich auch gleich für alle anderen Frauen an Bord – noch mal den grundlegenden Lehrfilm gezeigt haben, den man sich als Frau in jedem Alter mindestens einmal jährlich ansehen sollte, einfach um es sich immer wieder in Erinnerung zu rufen: He Is Just Not That Into You .
    Aus Ende. Das ist es. In klaren Worten. Und da gibt es nichts dran zu deuteln und zu deuten. Und im Grunde braucht man den Film gar nicht zu sehen, die Botschaft steckt im Titel, aber vermutlich ist es besser, wenn man den Film sieht, damit die Botschaft sich auch einprägt.
    Und die Botschaft lautet: Wenn ein Mann nicht anruft, dann nicht, weil er nicht wählen kann oder die Nummer nicht findet oder auf eine bessere Gelegenheit wartet, sondern weil er einfach nicht anrufen will. Das Gleiche trifft natürlich auch auf Skypen zu. Und in meinem Alter sollte ich das alles längst wissen. Aber – Alter schützt vor Torheit nicht, tja, leider trifft auch das zu.
    Und da ist auch schon Dona Ermelinda und winkt vom Eingang. Ich werfe noch einen bedeutsamen Blick in das Wörterbuch, tue so, als ob ich tief aus Schnittstellen und Verkabelungen und anderen Elektro-Wörtern auftauchen würde und gehe zur Tür.
    „Sie hatten gestern Besuch“, sagt Dona Ermelinda.
    „Ich weiß“, sage ich. „Miguel war hier.“
    „Nein, nein“, sagt Dona Ermelinda. „Der andere war wieder hier.“
    „Gut, dass ich nicht da war“, sage ich.
    „Ich soll Ihnen das hier geben“, sagt sie und drückt mir einen Zettel in die Hand. Da stehen sein Name und eine Telefonnummer. Der Witwer vom Deutschentreff hier in Viseu. Er heißt Hans-Dieter, das wusste ich schon. Jetzt habe ich auch seine Telefonnummer, die habe ich schon mal weggeworfen, das werde ich mit dieser hier auch tun.
    „Er sagt“, sagt Dona Ermelinda. „Sie sind Witwe und er ist Witwer und Sie wären ja ganz hübsch und nett, und das würde doch gut passen.“
    Ich seufze. Der sucht schon lange eine Frau, die für ihn kocht und putzt und da ist. Das könnte dem so passen, dass ich mich da an seinen Herd stelle.
    „Mein José hat auch gleich gesagt: das wäre doch jemand für Dona Anna“, fährt Dona Ermelinda fort.
    Ich schüttel meinen Kopf. Dann lieber alleine. Für den Rest des Lebens, wenn´s sein muss. Ist das ungerecht gegenüber diesem Hans-Dieter? Aber hallo.
    „Aber ich habe meinem José gleich gesagt: Der ist nichts für unsere Dona Anna.“
    Ich nicke.
    „Aber der Nette aus Porto, der wäre was“, sagt Dona Ermelinda.
    Ich nicke nicht.
    „Und er ist den ganzen Weg nach Porto zurückgefahren? Mitten in der Nacht? Bei dem Wetter?“
    Ich nicke wieder. Dona Ermelinda sagt nichts weiter, aber ich kann mir denken, was sie denkt. Und es sieht nicht so aus, als ob meine Züchtigkeit als Witwe hier irgendwelche Pluspunkte sammeln würde. Ganz im Gegenteil.
    Wer hätte gedacht, dass Männer nochmal so eine Bedeutung in meinem Leben bekommen. Ich dachte in der Tat, damit wäre ich durch. Dreißig friedliche Ehejahre, in denen andere Männer keine Rolle spielten. Und jetzt das hier. Kein Wunder, dass Paul mir Fotos von kopflosen Entenweibchen schickt, die sich halb hinter Booten verstecken. Hinter halben Drudel-Booten, um genau zu sein.
     
    *
     
    Am nächsten Morgen stehe ich auf und beginne den Tag mit guten Vorsätzen. Ich werde fleißig übersetzen, dann muss ich aufs Gericht, dolmetschen, und danach könnte ich mich mit Clara auf einen Kaffee treffen. Clara ist in meinem Alter, Single wie ich und überlebt materiell und seelisch, indem sie Kitschromane schreibt. Jeden Monat einen.
    Für mich liegt an: Anleitung für
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