Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Farris Smith
Vom Netzwerk:
sich mit einer Kopfbewegung die Haare aus dem Gesicht.
    »Da habt ihr aber noch einen weiten Weg vor euch«, sagte Cohen. Er deutete auf die Stelle, wo die Straße überflutet war, und auf das Land rechts und links der Fahrbahn. »Das ist überall ein einziger Sumpf.«
    »Das wissen wir«, sagte der Junge.
    Cohen beugte sich vor und spuckte auf die Erde. Dann richtete er sich wieder auf und sagte: »Gibt’s einen Grund, warum ihr nach Louisiana wollt?«
    »Da soll es Strom geben, haben wir gehört«, sagte der Junge. Er konnte nicht älter als sechzehn sein. Trotz seiner übergroßen Collegejacke konnte man sehen, dass er schmale Schultern hatte.
    »Also?«, sagte Cohen.
    »Also was? Geht Sie doch gar nichts an«, keifte das Mädchen und richtete sich auf.
    »Sei still«, sagte der Junge zu ihr.
    »Sei du doch still.«
    »Haltet mal beide den Mund. Was ist denn mit ihr passiert?«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte der Junge.
    »Warum musst du sie stützen?«
    »Sie wurde von einer Schlange gebissen.«
    Cohen strich sich über den Bart. Er musterte die beiden eingehend, versuchte herauszufinden, ob etwas mit ihnen nicht stimmte. »Es ist doch viel zu kalt für Schlangen. Die gibt’s schon lange nicht mehr.«
    »Es ist ja auch schon länger her. Ist passiert, als es noch nicht so kalt war. Sehen Sie.« Der Junge bückte sich, schob den Mantel beiseite und zog ihr Hosenbein ein Stück nach oben. Sie trug Tennisschuhe ohne Socken, und ihr Knöchel sah aus, als hätte sich jemand mit einem Messer daran zu schaffen gemacht.
    »Das ist kein Schlangenbiss«, sagte Cohen.
    »Ein Scheiß ist das nicht«, sagte sie und zog das Hosenbein wieder über die Wunde. »Es ist geschwollen und geht nicht mehr weg.«
    »Das ist nicht geschwollen. Und wenn es das wäre, würde es überhaupt nicht helfen, damit herumzulaufen«, sagte Cohen.
    »Da hilft gar nichts«, sagte der Junge. »Höchstens ein Arzt. Wissen Sie, wo es einen gibt?«
    Cohen schüttelte den Kopf. Alle drei starrten einander an. Cohen schaute nach hinten. Im Osten schoben sich die riesigen schwarzen Wolken über den Himmel. Es war jetzt später Nachmittag, Blitze zuckten unaufhörlich über den Horizont. In einer Stunde wurde es dunkel, die Luft war bereits deutlich kälter.
    Lass sie da stehen, dachte er.
    »Sie wollen uns wahrscheinlich nicht über diese überflutete Stelle da mitnehmen, oder?«, fragte der Junge.
    »Wenn ich euch hinüberfahre, dann muss ich euch auch noch weiter mitnehmen.«
    »Nein, müssen Sie nicht. Ich schwör’s.«
    »Bettel ihn nicht an«, sagte das Mädchen.
    »Ich bettle nicht. Ich frage bloß, verdammt.«
    Cohen hob seine abgesägte Schrotflinte hoch und zeigte sie ihnen. »Seht ihr das hier?«
    Sie nickten.
    »Versteht ihr, was ich meine?«
    »Ja, Sir«, sagte der Junge. Das Mädchen antwortete nicht.
    »Was ist mit dir, du mit dem Schlangenbiss«, wandte Cohen sich an sie. »Verstehst du das auch?«
    »Hab schon kapiert.«
    »Über das Wasser«, sagte Cohen. »Auf die andere Seite, und dann steigt ihr wieder aus.«
    »Das geht in Ordnung«, sagte der Junge. »Mehr wollen wir ja gar nicht. Wir müssen bloß irgendwie nach Louisiana kommen.«
    »Hör auf damit«, sagte Cohen. »Du weißt ja gar nicht, wovon du redest. Diese überflutete Stelle da vorn, wo ihr nicht allein rüberkommt, die ist gerade mal halb so tief wie das Wasser, das halb Louisiana bedeckt. Jetzt bleibt da stehen.«
    Er stieg aus dem Jeep und schob die Gasflaschen, Wasserkisten und Tüten zur Seite, damit jemand auf der Ladefläche sitzen konnte. Die Kartons mit den Patronen und Kettensägenklingen nahm er aus der Tüte und schob sie unter den Fahrersitz. Nachdem er das erledigt hatte, winkte er sie zu sich. Das Mädchen humpelte neben dem Jungen her, ohne sich abzustützen. Cohen deutete auf den Jungen und befahl ihm, dem Mädchen hinten rein zu helfen und sich auf den Beifahrersitz zu setzen. Der Junge half ihr beim Hochklettern, und sie hockte sich hin und zog den Mantel zurecht. Der Junge nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Cohen nickte zufrieden und setzte sich hinters Steuer. Er musste jetzt die Gangschaltung mit derselben Hand betätigen, in der er die Flinte hielt, was ihm überhaupt nicht behagte, aber er hatte nun mal diese Entscheidung getroffen, und jetzt ging es weiter.
    Er drehte sich um und sagte dem Mädchen, sie könne sich eine Flasche Wasser nehmen. Sie zog die Plastikfolie von der Packung und reichte dem Jungen ebenfalls eine. Sie tranken gierig wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher