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Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Titel: Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)
Autoren: Achim Peters
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ist Essensknappheit einer der größten Stressoren, die wir kennen – und zwar unabhängig davon, ob wir hungern, weil nichts zu essen da ist oder weil wir uns Nahrungsverzicht in den Kopf gesetzt haben, zum Beispiel im Zuge einer Diät. Das Vertrackte am Gehirn ist, dass hier bei einer Abnehmkur, um beim Beispiel zu bleiben, gleichzeitig zwei oder mehrere unterschiedliche innere Motive miteinander streiten: Unser Verstand rät uns, weniger zu essen, um Gewicht zu verlieren – um beispielsweise bei dem anstehenden Bewerbungsgespräch auf eine begehrte Stelle bessere Chancen zu haben. Unser Gefühl aber – die Mischung aus Unruhe, Anspannung und Hunger – rät uns gleichzeitig, endlich die angespannte Versorgungslage innerhalb des menschlichen Organismus zu entschärfen, also wieder mehr zu essen. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass es bei einem derartigen inneren Konflikt auf Dauer keine Einigung geben kann. Entweder ignoriert der Verstand anhaltend die Signale des Alarm schlagenden Stresssystems, oder das Gefühl mit seinen Hungerbegleiterscheinungen setzt sich durch, und der Abnehmplan scheitert. Der Ausgang eines solchen inneren Zwistes könnte – folgt man dem Wortlaut des französischen Dichters Marcel Proust – so sein: »Doch der Wille, jener beharrliche, unentwegte Diener unseres Ich, wirkt unbeachtet und unablässig treu daran, dass diesem nie fehlt, was es braucht. Er ist ebenso unbeugsam, wie Verstand und Gefühl veränderlich sind. Während Verstand und Gefühl noch anfangen, miteinander zu diskutieren, lässt der Wille den entscheidenden Augenblick nicht verstreichen und gibt zielbewusst beim Ober die Essensbestellung auf.« So gesehen lässt sich am Ende ein Entscheidungskonflikt lösen, indem eines unserer inneren Motive die Oberhand gewinnt. Doch die Motive hängen ihrerseits wieder von mannigfaltigen, veränderlichen Faktoren ab – wie bei der Frage, ob eine Diät aus gesundheitlichen Gründen zu befürworten sei. Womöglich lässt sich unser Verstand durch falsche oder verfälschte Informationen irreleiten.
    Ein neues Körperbild – ist dick werden wirklich eine Krankheit?
    Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Selfish-Brain-Forschung führen zwangsläufig zu einer neuen Sichtweise auf die Energieversorgung unseres Körpers, der sich auch die breite Ärzteschaft auf Dauer nicht wird verschließen können. Allerdings ist die allgemeine Anerkennung einer fundamental neuen Sichtweise in der Medizin erfahrungsgemäß ein langwieriger Prozess, der viel Geduld und Überzeugungsarbeit erfordert. Schließlich geht es um nichts weniger, als zu erkennen und anzuerkennen, dass das Gehirn im Stoffwechsel des menschlichen Organismus und seiner Organe von so zentraler Bedeutung ist wie die Sonne im Sonnensystem. Dieses neue »Bild vom menschlichen Energiestoffwechsel« erfordert nicht nur eine Revision unseres Verständnisses von Gewichtszunahme und Typ- 2 -Diabetes, sondern auch ein therapeutisches Umdenken.
    Adipositas – die so genannte Fettleibigkeit – gilt bis heute als ein behandlungsbedürftiges Krankheitsbild. Doch durch neue Erkenntnisse mehren sich die Zweifel, ob »Dickwerden« wirklich eine Erkrankung ist. Ich bin zwar als Arzt ausgebildet worden, in Begriffskategorien wie »krank« und »gesund«, »suffizient« und »insuffizient«, »physiologisch« und »pathologisch« zu denken, bin jedoch nach jahrelanger Hirnforschung jetzt eher dazu geneigt, ein hohes Körpergewicht als »phänotypisches Merkmal« (gr./lat. Phänotyp = Erscheinungsform) innerhalb der menschlichen Gewichtsvielfalt anzusehen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Hier geht es nicht um eine Umettikettierung der Begrifflichkeiten – nach dem Motto, wir ersetzen »Übergewicht« durch »Gewichtsvielfalt«, weil das vielleicht netter klingt. Gewichtszunahme ist kein Ausdruck einer Krankheit. Es ist die erfolgreichste Strategie des menschlichen Organismus, mit Stress umzugehen. Und wer einen dicken Menschen dünner machen will, um seine Gesundheit zu fördern, wird genau das Gegenteil bewirken. Diesen Satz jetzt hier so aufzuschreiben, ist zunächst einmal nichts mehr als eine Behauptung, die natürlich nach Evidenzen verlangt. Doch an dieser Stelle des Buches die Beweise anzuführen, würde zu weit vorgreifen. Nehmen wir es also erst einmal als Arbeitsthese, dass Gewichtszunahme keine Krankheit ist.
    Fragen und Widersprüche – warum es uns so schwerfällt, dicke Menschen als das zu akzeptieren, was sie
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