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Mythor - 054 - Vina, die Hexe

Mythor - 054 - Vina, die Hexe

Titel: Mythor - 054 - Vina, die Hexe
Autoren: W. K. Giesa
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ersten Moment dagegen. Das wäre ihr fast zum Verhängnis geworden. Erst im letzten Augenblick ließ sie die Stange los, die blitzschnell verschwand. Aber so tief war die Grube nicht. Die Stange mußte von irgendeinem ätzenden Pflanzensaft in Gedankenschnelle aufgelöst worden sein.
    »Honga!« schrie die Tau.
    Unten hörte sie ihn wüten. Und Alton sang sein klagendes Lied. Der Held setzte sich gegen die Angriffe der Bestienpflanze zur Wehr, die ihn mit ihren Armen zu umschlingen versuchte wie vorher der Schreckfarn das Tau-Mädchen. Zischende und fauchende Geräusche erklangen aus der Grube.
    Nein, Tiere gab es hier nicht, aber die Pflanzen standen den reißenden Bestien in nichts nach. Ramoa erschauerte.
    Sie konnte Honga nicht helfen. Er mußte dort unten allein seinen Kampf ausfechten, bei dem es auf Schnelligkeit und Geschicklichkeit ankam.
    Endlich hörte sie von unten seinen Ruf. »Kannst du mir hinaufhelfen?«
    Sie sah nach unten. Er hatte es in der Tat geschafft. Erschöpft lehnte er sich an die Grubenwand; ein roter Streifen zog sich über seinen linken Arm. Er schob das singende Schwert in die Scheide zurück.
    »Bist du verletzt?« fragte sie nach unten und hörte an den jetzt eigenartigen Schritten, daß Oniak heranhumpelte.
    »Nicht der Rede wert«, gab Honga von unten zurück. »Hol mich nach oben!«
    Sie sah sich um. Es gab keine Stange von der Länge mehr, die das Pflanzenungeheuer verdaut hatte. Aber vielleicht reichte ein kürzerer Stab schon… Oniaks Gehstock. »Gib ihn mir!« verlangte sie.
    Oniak sah sie etwas ratlos an. »Du bekommst ihn gleich wieder«, versicherte sie und nahm ihn ihm aus der Hand. Oniak schwankte etwas, schaffte es aber, stehenzubleiben. Die Feuergöttin legte sich am Rand der Grube auf den Bauch und hielt, ihn mit beiden Händen umklammernd, den Stock nach unten.
    »Kannst du mich halten?« rief Honga.
    »Unterschätze mich nicht«, gab sie zurück.
    Er machte einen Sprung nach oben, griff mit beiden Händen zu und hatte den Stock gepackt. »Festhalten!« keuchte er und hangelte sich so schnell wie möglich nach oben. Als seine erste Hand die Kante erreichte, wechselte Ramoa den Griff und half ihm, sich hinaufzuarbeiten. Dann erhob sie sich, klopfte sich den Staub von ihrem knielangen Beinkleid und gab den Stock an Oniak zurück, der, dankbar lächelte und den Kopf neigte.
    »Ich danke dir, Herrin der Lava«, sagte er und beschwor damit für wenige Herzschläge die Erinnerung an den Vulkan wieder herauf, den Ramoa zum Ausbruch gezwungen hatte, um die bösartigen Tukken zu vernichten. Die Tau hatten es mißverstanden und ihr Honga auf den Hals gehetzt, um die anscheinend entartete Feuergöttin zu töten. Doch Honga hatte rechtzeitig erkannt, welches Spiel dort getrieben wurde, und Ramoa lebte noch, ebenso wie der Köder Oniak.
    Es war merklich dunkler geworden. Die Sonne begann zu sinken. In Kürze würde die Nacht hereinbrechen.
    Mythor verspürte ein langsam stärker werdendes Hungergefühl. »Gibt es hier Tiere, die man jagen und essen kann?« fragte er.
    Ramoa schüttelte den Kopf. »Auf den Blutigen Zähnen hat es nie Tiere gegeben«, sagte sie. »Nur Pflanzen - und die Fischköpfe.«
    »Fischköpfe?« echote Mythor überrascht.
    »Die besessenen Männer«, erklärte Ramoa. »Um sie als von Dämonen Besessene zu kennzeichnen, setzte man ihnen Fischmasken auf. Daher der Name.«
    Mythor verzog das Gesicht. Er versuchte sich vorzustellen, wie diese Unglücklichen aussehen mochten, und ahnte dabei nicht, wie bald er schon ihre Bekanntschaft machen sollte…
    Als gleißender Feuerball begann die Sonne am Horizont zu versinken. Blutrote Streifen erschienen am Himmel, und die dunkle Schattenzone wuchs bedrohlich über ihnen.
     
     
    *
     
    Der Schreckfarn hatte erkennen müssen, daß das Lebendige etwas zu lebendig war. Es hatte ihn selbst zerteilt und für einige Zeit außer Gefecht gesetzt. Doch selbst wenn er Gefühle hätte zeigen können, hätte ihn dies nicht sonderlich verdrossen.
    Jeder einzelne, abgetrennte Teil des Schreckfarns begann Wurzeln zu treiben und sich im Erdreich festzusetzen. Die Wurzeln zogen die wenigen noch vorhandenen Nährstoffe aus dem Boden und sorgten dafür, daß die Reste des Schreckfarns wieder wuchsen. Doch er sah jetzt anders aus als zuvor. Ganz anders, aber nicht ungefährlicher, Knopsen wurden an neu hervorsprießenden Zweigen getrieben und wurden größer, um sich dann bei sinkender Sonne zu voller Pracht zu entfalten.
    Der Schreckfarn
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