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My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn

Titel: My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn
Autoren: Brigitte Melzer
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flüchtete mich ins Mädchenklo, wo ich mich für den Rest der Pause in einer Kabine verbarrikadierte.

    Als ich mit dem Gongschlag wieder herauskam, war ich alles andere als zufrieden mit mir. Ein Blick in den Spiegel machte es nicht besser. Das letzte Mal war ich so blass gewesen, als ich mir den Magen an vergammelter Mayo verdorben hatte. Jetzt lag es wohl mehr an einer Mischung aus dunkler Schminke und einer ordentlichen Portion Wut. Charlie Berg versteckte sich nicht im Klo! Noch einmal würde ich das nicht machen! Ich war doch nicht auf den Mund gefallen. Warum also sollte ich mir nicht die Sprüche dieser Typen anhören und ihnen die entsprechenden Antworten um die Ohren hauen?
    Weil du noch nie allein gegen eine ganze Clique gestanden hast? , erinnerte mich eine ziemlich aufdringliche Stimme in meinem Kopf.
    Natürlich war der Gedanke irgendwie beängstigend, mich gleich mit der gesamten In-Clique anzulegen. Andererseits konnte mir das doch herzlich egal sein. Ich war ja nur auf der Durchreise und nicht darauf aus, Freundschaften fürs Leben zu schließen. Daran würde ich mich wohl noch das ein oder andere Mal erinnern müssen, um es zu verinnerlichen.
    Zurück in der Klasse, saß Pannen-Anne schon auf ihrem Platz. Sie hatte es doch tatsächlich geschafft, noch weiter in Richtung der Heizung zu rücken, und starrte demonstrativ aus dem Fenster, als ich mich neben ihr auf den Stuhl fallen ließ. Wenn ich jetzt »Buh!« gerufen hätte, wäre sie vermutlich vor Schreck schreiend aufgesprungen und davongelaufen.
    Seufzend lehnte ich mich zurück und beobachtete, wie der Geschichtslehrer seine Bücher aus einer abgewetzten Ledertasche packte. Wenn ich das richtig mitbekommen hatte, hieß er Herr Seyfert. Er warf einen Blick in meine Richtung,
schielte dann in die Anwesenheitsliste und nickte kurz, ehe er sich seinem Unterricht zuwandte, ohne ein Wort an mich zu verschwenden.
    Als Herr Seyfert seine Arbeitsblätter verteilte, lehnte sich einmal mehr Finn über den Gang zu mir herüber. Allmählich begann ich mich zu fragen, ob er vielleicht am Helfersyndrom litt, das ihn zwang, Leuten auf den Keks zu gehen, die schlechter dran waren als er.
    Â»Hier, du kannst dir meine Unterlagen kopieren.« Mit Schwung wuchtete er seinen Ordner auf meinen Tisch. Ich hätte gerne Nein gesagt, doch wenn ich auch nur die geringste Hoffnung haben wollte, dem Unterricht folgen zu können, war ich auf die Unterlagen angewiesen. Abgesehen davon, war die Einzige, die ich freiwillig gefragt hätte, Pannen-Anne, und die würde ihr Zeug vermutlich eher vergraben, als es dem Tod persönlich in die Hände zu geben. Also nahm ich Finns Ordner mit einem gemurmelten »Danke« an.
    Â»Wenn du in der Pause nicht so schnell verschwunden wärst, hättest du die Unterlagen gleich kopieren können.«
    Ich versuchte herauszufinden, ob da ein spöttischer Unterton in seiner Stimme war, doch mir fiel nichts auf.
    Er zuckte die Schultern. »Jetzt musst du es eben nach der Schule machen. Morgen brauche ich die Sachen wieder.«
    Ich nickte nur und nahm den Ordner, um ihn zu meiner Tasche auf den Boden zu stellen. Dabei rutschte er mir aus der Hand, überschlug sich einmal und landete mit einem lauten Knall auf dem ausgebleichten Linoleum. Alle starrten mich an. Ich sah es nicht, weil ich mich rasch nach dem Ordner bückte, aber ich spürte die Blicke, die sich in mich bohrten, bis mir ganz heiß wurde. Damit niemand meine Verlegenheit bemerkte, blieb ich auf Tauchstation und fummelte
an Finns Ordner herum, bis er endlich neben meiner Tasche stand. Erst als sich mein Gesicht nicht mehr heiß anfühlte, tauchte ich wieder auf. Ich hatte erwartet, dass mich alle anstarren würden, doch soweit ich das aus den Augenwinkeln sehen konnte, hatten die meisten ihre Nasen schon wieder in die Schulbücher gesteckt.
    Der Rest des Vormittags verlief zum Glück ohne weitere Zwischenfälle. In der zweiten Pause stand ich in einer Ecke und beobachtete, wie zwei von Lukas’ Gefolgsleuten einem dicken Jungen aus der Parallelklasse seinen Rucksack abnahmen und damit Fußball spielten. Der Junge hetzte hin und her und versuchte, sein Zeug in die Finger zu bekommen, aber er war zu langsam. Schließlich blieb er schnaufend und mit hochrotem Kopf stehen. Die Hände auf die Knie gestützt, beobachtete er, wie sein Rucksack von einer Seite zur anderen flog, und
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