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My Story. Streng geheim. - Aller guten Jungs sind drei

Titel: My Story. Streng geheim. - Aller guten Jungs sind drei
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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einen metallicblauen Mopedhelm, und um seinen Leib hatte er einen langen gestreiften Strickschal gewickelt. Er sah aus wie ein Marsmännchen, das bei H&M gelandet war und vor lauter Freude über das bunte Allerlei alles Greifbare übergestreift hatte und nun wie eine Tonne durch die Gegend wackelte. Denn Emir wackelte tatsächlich; die vielen Kleidungsstücke hinderten ihn nämlich am normalen Gehen und Sichbewegen.
    Marta tippte sich wortlos an die Stirn. Ich wollt’s ihr gerade gleichtun, als ich die Sache checkte. »Leute!«, schrie ich. »Es geht los! Emir startet das Training am Berg! Das, was er anhat, ist sein Schutzanzug!«
    Ignaz und Franzl rannten Emir bereits hinterher; Marta und
ich fuhren in die Jeans, schlüpften in ein Hemdchen, verzichteten aufs Zähneputzen, Gesichtwaschen und Kämmen, sausten barfüßig hinters Haus und lehnten uns neben Ignaz und Franzl ans ordentlich aufgeschichtete Holz.
    Emir stand vor dem felsigen Kletterübungshang. Seine Hände steckten irgendwo zwischen Bauch und Schal, und seinem Rücken sah man an, dass er sich überhaupt nicht wohlfühlte. Er stand und schaute und tat keinen Schritt vorwärts.
    Plötzlich drehte er sich um. »Er gibt auf«, flüsterte Marta.
    Tatsächlich. Nach einem langen letzten Blick schlich Emir gesenkten Kopfes Richtung Haus. Jeder, der den Felshang kennt, würde Emir verstehen. Es ist nämlich so, dass die Eiszeitgletscher vor vielen tausend Jahren beim Vorwärtsrutschen eine Menge Fels und Geröll vor sich herschoben. Das Zeug blieb natürlich liegen, als das Eis infolge der damaligen Klimaerwärmung abtaute. Aber Staub, Sand, Wind und Wetter haben die riesigen, die großen und die kleinen Geröllbrocken zusammengebacken, wodurch ein neues, absolut betonhartes und allgäutypisches Gestein entstand, das »Nagelfluh« genannt wird. Um einen solchen in Geröll eingebetteten Felsbrocken handelte es sich. Links und rechts von ihm wuchs Gras, weshalb man ganz bequem auch um den Fels herumgehen konnte - aber eben das wollte Emir ja nicht. Emir wollte sich das Schwindelgefühl abtrainieren, aber offensichtlich war der Fels einige Nummern zu groß für ihn.
    »Mist!«, sagte Franzl und nieste. »Hatschi!« Und noch mal: »Hatschi!«
    Emir zuckte zusammen. Er hob den Kopf, erblickte uns, erstarrte … und machte auf der Stelle kehrt. Er wackelte zurück zum Berg und stapfte, ohne anzuhalten, drei Schritte aufwärts. Dann war das Gras zu Ende und der Fels begann.
    Franzl nieste zum dritten Mal. Das dritte Hatschi war so laut,
dass es die Berge als Echo zu uns zurückschickten. »Tschi, tschi, tschieee!«
    Dieses »Tschieee!« stieß Emir den kleinen Felsbrocken hoch. Wir hörten lautes, durchdringendes Pfeifen.
    »Mann o Mann, er hat die Murmeltiere erschreckt. Habt ihr das Pfeifen gehört? Die haben sich in ihre Löcher geflüchtet«, meinte Ignaz.
    »Aber Emir hat mindestens drei Meter geschafft«, stellte Marta ehrfürchtig fest.
    »Eher vier, würd ich mal sagen.« Franzl kniff die Augen zusammen. »Ob er wohl noch weitergeht?«
    In der Hektik hatte ich mein Handy mit der eingespeicherten Nummer der Bergrettung nicht mitgenommen. »Emir«, flüsterte ich im Stillen. »Lass es gut sein. Fürs erste Mal reicht’s! Ich will nicht, dass du abstürzt!«
    Emir kniete sich, das Gesicht zum Berg, auf den kleinen Felsvorsprung. Nein, er schaute nicht nach oben, er drehte sich auch nicht um. Er robbte auf allen vieren rückwärts herunter.
    Laut »Huhuhu!« schreiend, rannten wir zu ihm und klopften ihm auf die Schultern, den Rücken, die Arme - egal wo, wir klopften und lachten und beglückwünschten ihn zum gelungenen Trainingsstart.
    »Wie weit bin ich gekommen?«, fragte er.
    Franzl rannte zum Hang, war mit zwei, drei Sätzen auf dem kleinen Vorsprung, drehte sich um und breitete die Arme aus. »So weit schon!«, brüllte er.
    Da erst sahen wir, dass Nele mit ihrer Krücke die Wiese herunterhumpelte. Das dauerte natürlich, aber als sie uns erreicht hatte, ließ sie die Krücke ins Gras fallen, schlang Emir die Arme um den Hals und hauchte, ganz wie ich’s geahnt hatte: »Emir, du bist ein Held!«
    Was soll man dazu sagen? Wir jedenfalls schwiegen, räusperten
uns nur verlegen, scharrten mit den Füßen und lachten auf, als Ignaz meinte: »Leute, ich komme um vor Hunger.«
    Das jedenfalls war der Beginn von Emirs Training. Als wir uns mit Marmeladebroten und Milchkaffee fit für den Tag machten, legte er die Kleidungsstücke ab, mit denen er sich zum Schutz
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