My Lady 0145 - Sheila Bishop - Der geraubte Kuss
blicken lassen. Aber außer mir ist niemand hier.“
„Doch, Mr. Brooke ist in der Gloriette“, entgegnete Olivia und streifte sich hastig das Kleid über.
„Nein“, widersprach Emma erstaunt. „Er war soeben bei mir und rief mir durch das Küchenfenster zu, Sie hätten versehentlich den Wasserstrahl angedreht und seien naß geworden. Er bat mich, Sie zu suchen und Ihnen behilflich zu sein. Ach übrigens, ich bin Emma Bird. Mein Mann ist der Hausmeister von Rosamond's Bower.“
„Ich habe Mr. Brooke doch zur Gloriette gehen, aber nicht zurückkommen sehen“, wandte Olivia ein, während sie sich durch die Büsche drängte.
„Dann ist er wohl auf der anderen Seite fortgegangen“, sagte Emma trocken.
Olivia wußte nicht, was sie erwidern sollte. Verlegen strich sie sich den Rock glatt. Sie hatte nicht daran gedacht, daß Mr. Brooke durch den offenen Säulenpavillon verschwunden sein konnte. Also hatte er sich doch als Kavalier erwiesen!
Sie bedankte sich bei Mrs. Bird für die Unterstützung, lehnte freundlich die Einladung zu einem Täßchen Tee ab und hastete, den immer noch feuchten und gänzlich ruinierten Florentiner in der Hand, den Weg zum Eingangstor zurück, überzeugt, Mr. Brooke halte sich noch immer irgendwo auf dem Gelände auf.
Erleichtert sah sie das Tor vor sich und wollte eben das Grundstück verlassen, als er unversehens aus dem Schatten einer Baumgruppe hervorkam und ihr den Weg verstellte. Erschrocken blieb sie stehen.
„Ah, so trifft man sich wieder!“ sagte er schmunzelnd. „Sollen wir nun den Spaziergang machen, den Sie vorhin vorgeschlagen haben? Wahrscheinlich sind Sie jetzt nicht mehr so schüchtern wie oben beim Brunnen.“
„Gehen Sie mir aus dem Weg!“ forderte sie Mr. Brooke frostig auf.
„Wollen Sie das wirklich, Miss Fenimore?“ fragte er und grinste über das ganze Gesicht. „Oder sind Sie nur böse, weil ich Sie ein wenig geneckt habe? Aber Sie haben es herausgefordert.“
„Ich weiß, es war falsch von mir, die Fontäne anzustellen“, antwortete Olivia verärgert. „Doch das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, in diesem vertraulichen Ton mit mir zu reden!“
„Wahrscheinlich wäre jeder der Versuchung erlegen, sie anzudrehen“, erwiderte Tom gelassen. „Ich wüßte jedoch gern, warum Sie überhaupt auf Lord Canfields Besitz sind. Soweit ich weiß, zählen Sie nicht zu seinen Bekannten, nicht wahr?
Außerdem gehören Sie nicht zu den neugierigen Frauen, die unbefugt auf den Grundstücken fremder Leute herumschnüffeln. Nein, ich vermute, Sie hatten einen ganz anderen Grund. Von Ihren Angehörigen haben Sie erfahren, daß ich ein Auge auf Rosamond's Bower halte, wenn Lord Canfield und seine Familie abwesend sind, und besonders sonntags im Park bin, da dann keiner der Gärtner hier arbeitet.“
Olivia lag auf der Zunge, zu antworten, daß die Annahme vollkommen irrig sei und sie nichts von Mr. Brookes Besuchen im Garten gewußt habe. Doch dann entsann sie sich, daß Hetty den Spaziergang vorgeschlagen hatte, ohne allerdings die Möglichkeit zu erwähnen, Mr. Brooke zu begegnen. Natürlich hatte Hetty nicht im Sinn gehabt, ihn im geheimen zu treffen, denn dann hätte sie nicht um Olivias Begleitung gebeten. Olivia begriff, daß die Cousine, selbst fünf Tage vor der Hochzeit mit Mr. Makepeace, einfach Sehnsucht danach gehabt hatte, Thomas Brooke wiederzusehen und vielleicht einige Worte mit ihm zu wechseln. Es erschütterte sie, wie sehr es Hetty an Stolz mangelte. Und sie konnte Mr. Brooke nicht erklären, warum sie im Park von Rosamond's Bower weilte, denn damit hätte sie der Cousine keinen guten Dienst erwiesen.
Er hielt ihr Schweigen für Unbehagen, sah sie mißbilligend an und sagte schroff:
„Ich bin es leid, dauernd jungen Damen zu begegnen, die Spaß daran haben, sich in irgendein kleines Abenteuer zu stürzen, dann Ärger mit ihrer Familie bekommen und mich dafür verantwortlich machen. Jemand, der so gedankenlos ist, muß die Folgen ertragen können!“
Ehe Olivia wußte, wie ihr geschah, ergriff Mr. Brooke sie bei den Schultern, zog sie stürmisch an sich und gab ihr einen harten Kuß auf den Mund. Sie setzte sich heftig zur Wehr, doch er war stärker als sie.
Schließlich hob er den Kopf und äußerte lachend: „Na bitte! Das war es doch, was Sie wirklich wollten, nicht wahr, Miss Fenimore? Und noch viel mehr, wenn ich mich nicht täusche. Seien Sie ehrlich, und gestehen Sie die Wahrheit.“
„Sie irren sich gewaltig!“ brauste
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