Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
mit der Ruhe vorbei. Erst musste die Küche gesäubert, dann das Frühstücksgeschirr geholt und gewaschen, danach eine Suppe zum Mittag zubereitet und schließlich das üppige Abendessen gekocht werden. Lili bedauerte ein wenig, dass sie nun gar nichts von den Feierlichkeiten dort draußen in der Stadt mitbekam. Aber immerhin hatte sie bei ihrer Mutter durchsetzen können, dass diese ihr die schwereren Arbeiten überließ. So hob sie die Wasserkessel, schleppte Töpfe und Pfannen, während der St. Andrew’s Day vorüberging, und war am Abend so müde, dass sie fast im Stehen eingeschlafen wäre.
Sie war gerade dabei, die letzten Teller vom Festessen abzuwaschen, als sie hinter sich jenes Geräusch vernahm, das sie heute Morgen aus dem Bett hatte aufschrecken lassen. Lili fuhr herum und erschrak. Ihre Mutter lag ohnmächtig auf den Küchenfliesen. Ohne zu überlegen, rannte Lili nach oben zum Esszimmer und platzte in die Abendgesellschaft. Die Herren tranken Whisky und rauchten Zigarren, während die Damen sich mit Drambuie zuprosteten, einem schottischen Whiskylikör.
Als Lili ohne anzuklopfen in den Salon stürmte, richteten sich alle Blicke auf sie. Doktor Denoon schien sofort zu begreifen, dass er gebraucht wurde, denn er sprang auf, entschuldigte sich bei seinen Gästen und folgte ihr.
»Sie ist einfach umgekippt. Das ist heute Morgen schon einmal geschehen, aber sie wollte partout nicht im Bett bleiben.«
»Das wird wieder das Herz sein«, bemerkte er und griff nach seiner Arzttasche, die immer einsatzbereit im Flur stand.
Davinia lag noch auf dem Boden, aber sie war schon wieder bei Bewusstsein und jammerte leise vor sich hin. Der Doktor zögerte nicht lange, sondern machte ihren Arm frei und gab ihr eine Spritze. »Wir tragen sie nach oben. Eines unserer Mädchen ist für ein paar Tage bei den Eltern. Nehmen Sie sie an den Schultern!«
Der Doktor hatte im Gegensatz zu seiner Frau irgendwann begonnen, sie zu siezen, nachdem sie den Kinderschuhen entwachsen war.
Entschlossen packte Lili ihre Mutter, die immer noch laut vor sich hinstöhnte, während Doktor Denoon sie an den Beinen ergriff. Mit vereinten Kräften hievten sie Davinia, die nicht gerade ein Federgewicht war, schließlich auf das Bett.
»Sie wird erst einmal schlafen«, erklärte der Arzt und machte ein besorgtes Gesicht. »Wie oft haben wir ihr schon gesagt, sie solle weniger arbeiten. Es ist ja nicht das erste Mal …« Er stockte, als er Lilis fragendes Gesicht sah. »Sie wissen gar nichts von ihrer schweren Herzschwäche, wie mir scheint.«
Lili schüttelte stumm den Kopf. »Aber ich hoffe, Sie werden mir endlich erzählen, was es damit auf sich hat.«
Der Doktor räusperte sich. »Ärztliche Schweigepflicht hin oder her, ich glaube, ich muss es Ihnen in aller Offenheit sagen: Ihre Mutter hat seit damals ein schwaches Herz. Sie ist zum ersten Mal zusammengebrochen, nachdem der Highlander nicht zur Hochzeit erschienen war.« Sein Gesicht hatte sich merklich verfinstert.
»Welcher Highlander? Welche Hochzeit?«, hakte Lili blitzschnell nach, während ihr Herz zum Zerbersten pochte.
Doktor Denoon fuhr sich nervös über den kahlen Schädel. Er räusperte sich.
»Ihr Vater! Aber entschuldigen Sie bitte, das ist mir nur so herausgerutscht. Mich geht das ja auch gar nichts an. Ich dachte, Sie wüssten …«
»Soviel ich weiß, kam mein Vater Gerald MacGregor aus den Lowlands und starb vor der Hochzeit«, murmelte Lili mit belegter Stimme, und sie ahnte dunkel, dass ihre Mutter sie belogen hatte. »Aber ich sehe an Ihrem Blick, dass diese Geschichte nicht stimmt. Bitte sagen Sie mir die Wahrheit.«
Doktor Denoon vergewisserte sich, ob seine Patientin auch wirklich schlief. Erst als er einen Augenblick lang ihrem schweren Atem gelauscht hatte, traute er sich zu sprechen.
»Selbst auf die Gefahr hin, dass Ihre Frau Mutter mir Gift ins Essen mischt, Sie haben ein Recht darauf zu erfahren, dass Ihr Vater nicht Gerald MacGregor hieß, sondern Gordon Makenzie und aus einem Hochland-Clan stammte. Er starb auch nicht, jedenfalls nicht, dass wir es wüssten, sondern erschien einfach nicht zur Hochzeit. Aber für Ihre Mutter war er seit jenem Tag gestorben, an dem sie vergeblich auf dem Standesamt gewartet hatte. Meine Frau und ich wollten herausbekommen, wo er abgeblieben war, aber Ihre Mutter hat es uns strengstens untersagt. Sie hat sogar mit ihrer Kündigung gedroht, falls wir uns eingemischt hätten, doch sie wurde nie mehr die
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