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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert
Autoren: Uwe Hinrichs
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Gründe für die Verzögerung:
    Die Attitüde der Relativierung ist stärker als in anderen Ländern ausgeprägt und umgibt viele Informationen mit einer unsichtbaren, oft schwer lesbaren Aura. Besonders deutlich wird das an der Aussagekraft von Statistiken, an der Definition von ‹migrantisch›/‹deutsch› und an einer Konfusion von Abstammung oder Geburt als Grundlagen für Staatsbürgerschaft.[ 6 ]
    Soziale Kriterien wie Ausbildung ( skilled/unskilled ), Herkunft, economic needs , Arbeitsmarkt, Integration etc. spielten eine untergeordnete oder gar keine Rolle.
    Es gab über vierzig Jahre keine erkennbare Politik für Migration und Integration, abzulesen an einem dadurch erzeugten Wildwuchs an Initiativen, Diskursen, Runden Tischen und Begriffen. Migrationshintergrund ist der schillerndste von ihnen – ein typisch deutsches Wortungetüm –, der eine verbreitete fuzziness fast schon optisch widerspiegelt und wie alle Begriffe dieser Art einer begrenzten Halbwertzeit entgegensieht (unddann durch Neuschöpfungen ersetzt werden wird). Unentschiedene und wahrscheinlich unentscheidbare Streitgrößen sind bis heute Integration und Assimilation und von ihnen erzeugte Zusatzbegriffe (Löffler 2011).
    Dass Deutschland seit 1960 de facto ein Einwanderungsland war, wurde von der Politik lange unterdrückt, solange jedenfalls, bis die Folgen vollkommen stabilisiert waren. «Das linke Lager hat lange mit Multikulti einen wunderschönen Traum von der heilen Welt gepflegt und dabei die Entstehung von Parallelgesellschaften ignoriert. Die Union hat sich unter dem Schlagwort, Deutschland sei kein Einwanderungsland, nicht genug um diejenigen gekümmert, die bereits unter uns lebten.» (Günther Beckstein) Und die Berliner Politik neigt dazu, sich immer wieder ins eigene Fleisch zu schneiden: «Solange wir eine Politik des Alles-Verstehens und Alles-Verzeihens betreiben, (…) werden wir für eine erfolgreiche Integrationspolitik nur verhalten Mitstreiter finden.» (Heinz Buschkowsky)
    Â«Integration ist kein Selbstläufer. Was alles schiefgehen kann, wenn Zuwanderung ungesteuert erfolgt (…), hat Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten schmerzhaft erfahren. Die Folgen der Fehler, die auf beiden Seiten gemacht wurden – mangelnder Wille zur Eingliederung bei vielen Zuwanderern und eine in Abwehrhaltung verharrende einheimische Gesellschaft – sind bis heute spürbar.» (Dorothea Siems). Eine seltsame, sehr deutsche ‹Allianz der Weggucker› hatte im Lauf der Zeit und in unbewusstem Konsens dafür gesorgt, dass die Geschichte der Einwanderung zur «Geschichte eines politischen Selbstbetrugs» ( Der Spiegel ) werden konnte, der sowohl den Migranten als auch der Mehrheitsgesellschaft Schaden zugefügt hat. Dieser Zustand blieb im Prinzip vierzig Jahre erhalten, bis zum Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes 2005. Das verspätete Eingestehen der tatsächlichen Einwanderungssituation hat negative Konsequenzen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Bildung gehabt (Leontiy 2013; Einleitung). Es bleibt eine Situation, die noch lange von dieser Hypothek geprägt sein wird.[ 7 ] Blicken wir kurz zurück: Wann und wie begann es?
Etappen der Migration
    Die Migration hat bisher vier Phasen durchlaufen: «a) periods of postwar adjustment; b) labour migration; c) restraint migration; d) dissolution of socialism» (Zimmermann 2008, 4); im Deutschen begegnen die Etappen oft unter den Stichwörtern Arbeits-, Familien- und Fluchtmigration (chronologisch). Etwas genauer: «In the 1950s and 1960s, migration was largely attached to labour market activities. Since the 1970s and 1980s this turned into a phase of family migration. The 1980s and later were finally dominated by refugee migration. This all implies that since the 1970s migrants werde mostly not working. Policy measures like the stop of the guest worker system in 1973, and the uncontrolled inflow of noneconomic[ 8 ] migration afterwards is responsible for this development. No migration policy is also a migration policy.» (Bauer et al. 2005, 254)
    Die Geschichte dieser Zuwanderung, deren Diskurse oft von Schweigen, Ambivalenz, Schuldgefühlen, Kalkül, Political Correctness und zu wenig Realität geprägt waren, beginnt zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.[ 9 ] Ab 1955 schloss Deutschland mit Italien, Spanien, Griechenland, der Türkei,
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