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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei
Autoren: Raphael Zehnder
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zuerst der Müller, Franz Schubert, Joachim Scharpf und der eine oder andere vereidigte Polizeibeamte, Peter Wunderli, Heini und Marie Angst-Schwerzmann und der Nachbarbauer Beat Schaufelberger. Ging ja alles noch. Doch nun regelrecht Bevölkerungswachstum in dieser Geschichte, dass es die Raumplaner und Immigrationspolitiker graust. Der Müller muss sich in der weiten Welt vom Kreis 5 bis nach Oberlunkhofen im Reusstal interkantonal umhören. Verlässt sein Revier.
    Erste Phase der Ermittlung immer: Befragen von möglichen Zeugen und Geschädigten. Aber geschädigte Schweine, obwohl mit erstaunlicher Intelligenz ausgestattet, sind nicht wirklich sprachbegabt, deshalb ihren Meister fragen: Diplomlandwirt Heini Angst, Schwendihof, Oberlunkhofen, vorher schon kurz in Aktion kennengelernt. Ökonomischer Hintergrund: Liefert dem Restaurant Sumatra Schweinefleisch und nimmt regelmässig auf der Fleischtour dem Bioparadies den Schweinekübel ab. War damit bisher zufrieden, weil sind Bioschweine, wollen Bionahrung, mögen Bioessen, werden selbst Biofleisch. Geschlossener Kreislauf. Aber diesmal natürlich alles schiefgegangen, dumm gelaufen. Grosser Verlust an Wert und Kraft und ganz wichtig: Vertrauen.
    Und der Müller aus der Stadt hinaus und zum Schwendihof hin. Heini Angst weiss schon, dass der Müller kommt, weil er sich angekündigt. Telefon. Gut, der Bauer könnte, weil vorinformiert, Beweismittel verschwinden lassen, aber Tatort oder Todesort der Schweine schon von den Aargauer Kollegen gesichert, Futterrinne auch und Überreste Schweineeimerinhalt bereits durch chemisch-biologische Analyse des WD korrekt festgehalten. Deshalb Vorabanruf von Müller schon in Ordnung, erleichtert Gespräch, damit nicht der Bauer zufällig gerade stundenlang mit der Abferkelung beschäftigt und keine Zeit für den Müller hat, weil je Muttersau so circa elf bis dreizehn Frischlinge in den Stall hineinkommen, das kann schon dauern. Und Vorabanruf auch, damit der Schwendihofbauer weiss, der Müller ist nicht Boulevardreporter, weil Heini Angst und Joachim Scharpf wollen sicher nicht in die Schlagzeilen, weil immer Risiko: das Biolabel verlieren  Gäste und Kunden unmittelbar weg. Das ist nicht nur kühle Marketingüberlegung, sondern erstens Überzeugung und zweitens existenziell. Wer isst, will Gesundheit essen und bekömmlich.
    Der Müller diesmal also voll ausserkantonal. Da merkst du sofort, wenn du hinfährst, dass gleich hinter Aesch ZH und vor Arni AG alles ganz anders wird. Müller kennt das fast genetisch. Kommt ja aus dem Aargau, einige Kilometer flussabwärts, aus dem Blauburgunderdorf. Wenn Kantonsgrenze passiert, wird das Gras gleich grüner, die Luft durchsichtiger, subtil verändern sich die Reflektorenpfosten neben der Landstrasse, das Licht ändert sich, auf molekularer Ebene ist das auch sehr unterschiedlich zum Kanton Zürich. Selbst die Vögel haben einen anderen Akzent. Und die Menschen verhalten sich anders: Sie sprechen lauter, fahren andere Autos und tragen weniger hippe Frisuren, andere Bartmode und Kleider, manchmal zum Beispiel Socken zu kurzen Hosen und Sandalen oder ein T-Shirt mit Delphinen und Schriftzug »Cancun Diving Academy«. Aber sind nett und du spürst: Es sind nicht das styleguidekonforme Outfit und der Small Talk wie frisch vom Twitterfeed, die den ganzen Menschen ausmachen. Zählt auch anderes: innere Werte. Jetzt bist du also im Kanton Aargau. Auch richtig schön, wenn du da vom lang gezogenen Hügel ins Reusstal hinunterfährst nach Oberlunkhofen.
    Der Müller, er sieht den Schwendihof von Weitem. Ausserhalb Dorfzentrum. Aussiedlerhof. Freilandhaltung. Schweineterritorium. Nicht nur einen Kilometer vom Hof entfernt in den Reussmatten, wo das Blutbad infolge Schmerzkrümmung stattfand, sondern auch direkt beim Hof: Auslauf unter freiem Himmel mit Wiese und Dreck und Erde und Wasserloch. Ein Paradies für Schweine: Können sich trotz Dürre und Hitze draussen im feuchten Schlamm suhlen, weil der Bauer wässert. Suhlen einigt, senkt die Körpertemperatur und schützt die rosa Haut vor Sonnenbrand. Holzhütten mit Einstreu als Schutz vor Sonne, Regen und Wind. Die Schweine wühlen im Boden nach Maden (es gibt) und Würmern (gibt auch) und Samen (ebenfalls) und Trüffeln (leider nicht). Wegen der Temperatur liegen viele Schweine jetzt in Schatten von Bäumen platt auf Boden, sieht aus wie braun-rosa Welle, aber reglos, weil wirklich heiss und Schweine wie Menschen: wenn nicht nötig, keine
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