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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
Autoren: Edward Kelsey Moore
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Handflächen wärmte.
    Leise und bedächtig sagte Chick: »Ich war auch dort. Aber ich habe ihn nicht umgebracht. Ich bin an diesem Abend spät noch zu Desmond gefahren, nachdem du wieder gegangen warst. Ich wusste nicht wirklich, was ich dort wollte. Ich malte mir aus, dass ich ihn mit bloßen Händen erwürgen würde. Aber als ich zu Desmonds Haus kam, lag er bereits tot auf der Veranda, und sein Gewehr lag neben ihm. Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber der Vater seiner Freundin Liz kam bei Desmonds Beerdigung zu mir. Er prahlte damit, dass er Desmond erschossen habe, weil der Liz einmal zu oft verprügelt hatte. Er war sturzbesoffen, als er das sagte, also war es vielleicht die Wahrheit oder auch nicht. Mein Bruder hat jede Menge Unglück um sich herum verbreitet, und eine lange Liste von Leuten hätte ihn lieber tot als lebendig gesehen. Ich denke, es ist sogar möglich, dass Desmond sich selbst erschossen hat, so wie die Polizei es vermutetete, aber ich bezweifle es. Alles, was ich dir mit Sicherheit sagen kann, ist, dass das, was du geglaubt hast … na ja das ist, was ich dich glauben lassen wollte. Ich dachte, dass du mich vielleicht nicht hassen würdest, wenn du glauben würdest, dass ich wenigstens das für unseren Sohn getan habe.«
    Barbara Jean saß wie erstarrt auf dem Lehnstuhl und dachte über seine Worte nach. Sie saß so lange reglos da, dass Chick sie schließlich fragte, ob alles in Ordnung mit ihr sei, und ihr anbot, ihr ein Glas Wasser zu holen. »Mir geht’s gut, Ray«, sagte sie. Aber in ihrem Kopf versuchte sie, mit ihrer neuen Rolle als entlasteter Häftling zurechtzukommen. Was machte man, wenn die Gefängnistür plötzlich aufging? Wie nahm man die Freiheit an, wenn man sie nicht kannte? Wie vergab man sich selbst dafür, drei Jahrzehnte lang sein eigener Gefängniswärter gewesen zu sein?
    Das Leichteste – und auch das Klügste, wie sie annahm – wäre es gewesen, nun zu gehen. Aber die Tatsache, dass sie endlich von der ihr so vertrauten Schuld befreit war, ließ sie die Angst vor dem nächsten Schritt verlieren.
    Sie atmete tief durch und sagte: »Odette hat gesagt, ich muss mit dir reden und herausfinden, wie diese Sache zwischen dir und mir enden soll. Sie meinte, es sei Zeit, ein für alle Mal die ganze Wahrheit auf den Tisch zu legen. Und sie hat gesagt, dass Big Earl und Miss Thelma der gleichen Ansicht sind.«
    Chick wirkte verwirrt. »Was?«
    Ohne Erklärung fuhr sie fort: »Morgen rufe ich meinen Paten Carlo an und erzähle ihm von heute. Vermutlich wird er sagen: ›Barbara Jean, du bist zu weit gegangen. Du kannst deinen eigenen Gefühlen im Moment nicht trauen. Das jahrelange Trinken hat dein Hirn eingelegt wie saure Gurken und es auf einer kindlichen Stufe stehenlassen.‹ Vielleicht sagt er aber auch, dass ich wie viele Trinker bin, voller Sehnsucht nach einer süßen Vergangenheit, die nur in meiner Vorstellung existiert. Aber Big Earl und Miss Thelma haben mich nie falsch beraten. Und weil ich die Wahrheit kenne, werde ich sie auch aussprechen. Dann kann ich wenigstens zurück ins Krankenhaus zu meiner Freundin gehen und ihr sagen, dass ich getan habe, was sie von mir verlangt hat. Wenn das das Letzte ist, was ich ihr sagen werde, dann kann ich, glaube ich, ohne Reue zurückblicken. Und glaub mir, was Reue heißt habe ich auf die harte Tour gelernt.«
    In diesem Moment spürte Barbara Jean, dass es nicht bloß Odette war, die sie anspornte weiterzusprechen. Diese ganze Geistersache schien ihr näher gegangen zu sein als gedacht, denn die Stimmen, die sie bereits flüstern gehört hatte, als sie Chicks Büro betreten hatte, waren jetzt lauter geworden. Diese Stimmen machten ihr Mut: »Sag es, Mädchen!« »Beichte!« »Sag die Wahrheit, und beschäm damit den Teufel.« Und Barbara Jean hätte auf die Bibel aus ihrer Bibliothek schwören können, die so viele Jahre lang ihr Begleiter und ihre gerechte Strafe gewesen war, dass eine der Stimmen die von Big Earl war.
    Sie schaute weiter in Chicks schönes Gesicht und sagte: »Ray, ich habe dich von dem Tag an, als ich dich zum ersten Mal im Gang von Big Earls Diner geküsst habe, geliebt, und daran hat sich nie etwas geändert. Ich habe dich geliebt, egal ob ich nüchtern oder betrunken war. Ich habe dich geliebt, als ich jung war, und ich liebe dich noch immer, jetzt da ich alt bin. Ich dachte, das würde sich geben oder dass ich irgendwann aus dieser Sache herauswachsen würde. Aber all die Jahre später,
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