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Mr Nanny

Mr Nanny

Titel: Mr Nanny
Autoren: Holly Peterson
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zur Größe des Problems stehen. Im Gegenteil, je unwichtiger der Vorfall, desto heftiger der Temperamentsausbruch.
    Dieser Morgen war ein gutes Beispiel. Und er war auch ein Beispiel dafür, wie rasch die strikten Regeln über das Vermeiden von Schimpfwörtern über den Haufen geworfen werden konnten.
    »Dieser saublöde Mr. Ho, dieser verdammte kleine Scheißkerl, dieser schlitzäugige Liliputaner, kommt von Hongkong hierher und glaubt, er könnte mir ein Vermögen für zehn maßgeschneiderte Hemden abknöpfen - zwei Mal war ich zur Anprobe! Zwei Mal! -, und bringt dann nicht mal ein richtiges Knopfloch zustande?« Er stürmte in sein Ankleidezimmer zurück.
    Ich legte Gracie, die ganz große Augen bekommen und ihren Mund fest zusammengekniffen hatte, erst mal in unser Bett und mummelte sie liebevoll ein. Sie war erst fünf, wusste aber bereits, dass Daddy sich wie ein dickes fettes Baby aufführte. Sie wusste ebenfalls, dass es besser war, tunlichst den Mund zu halten, wenn Daddy einen seiner Anfälle hatte. Michael, unser Zweijähriger, kam ins Zimmer gewatschelt und reckte die Ärmchen zum Zeichen, dass er ebenfalls in unser Bett wollte. Ich legte ihn neben Gracie und gab ihm einen Kuss auf den kleinen Kopf.
    Dann wartete ich, während ich versuchte, den Rückenreißverschluss meiner Bluse zuzubekommen. Ich wusste genau, es konnte sich nur um Sekunden handeln, bis …
    »Jamieeeeeeeeee!«
    Als Phillip mir einen Heiratsantrag machte, behauptete er, dass er sich eine Frau wünsche, die einen eigenen Beruf, eine eigene Karriere habe. Er outete sich als moderner Mann, der kein Frauchen brauche, das ihn hinten und vorne bediente. Zehn Jahre Ehe hatten mich eines Besseren belehrt. Ich legte die Pinky - Dinky - Doo -DVD für die Kinder ein und ging gelassen zum Arbeitszimmer meines Mannes, aus dem die Schreie nun drangen. Dabei fragte ich mich, wie viele Frauen sich wohl in diesem Moment mit den morgendlichen Anfällen ihrer Männer wegen irgendwelcher absoluter Nichtigkeiten herumschlagen mussten.
    »Wie oft muss ich Carolina eigentlich sagen, dass sie die Finger von meinem Schreibtisch lassen soll! Würdest du sie bitte daran erinnern, dass ich sie hochkantig rauswerfe, wenn sie noch einmal die Schere von meinem Schreibtisch entfernt?«
    »Schatz. Bitte. Wir wollen doch nicht vergessen, dass es sich hier nur um ein paar zu enge Manschettenknopflöcher handelt, nicht um das Ende der Welt. Ich bin sicher, sie hat die Schere nicht...«
    »Tut mir leid, Schatz.« Er gab mir einen Schmatz auf die Stirn und drückte meine Hand. »Aber ich stecke sie immer in diesen Lederbecher hier, damit sie da ist, wenn ich sie brauche. Verdammte kleine Schlitzaugen. Verdammter Mr. Ho.«
    »Phillip, beruhige dich. Und bitte nenn Chinesen nicht kleine Schlitzaugen oder Liliputaner. Das ist unglaublich beleidigend. Von diskriminierend gar nicht zu reden. Ich hole dir ein anderes Hemd.«
    »Ich will aber kein anderes Hemd, Jamie. Ich will jetzt sofort eine Schere, am liebsten eine kleine, eine Nagelschere, und dann werde ich...«
    »Phillip, du wirst das Hemd doch nur ruinieren, wenn du das machst.« Ich holte ein perfekt gebügeltes Hemd aus seinem Schrank. Als ich es ihm hinhielt, schloss er die Augen und atmete ein paar Mal tief durch die Nase ein.
    »Ich habe meine alten Hemden so verdammt satt.«
    Er riss sämtliche Schubladen seines Schreibtischs auf und fand schließlich eine kleine silberne Nagelschere. »Ha!«
    Dann musste ich die nächsten vier Minuten mit ansehen, wie mein Mann - immerhin Seniorpartner in einer einflussreichen Rechtsanwaltskanzlei - wie besessen mit der Nagelschere in dem Manschettenknopfloch des maßgeschneiderten, zweihundertfünfzig Dollar teuren Hemds herumfuhrwerkte.
    Der anschließende Versuch ergab Folgendes: Die Tiffany-Manschettenknöpfe fielen durchs Loch. »Verdammte Scheiße! Jetzt ist das saublöde Loch zu groß!«
    Dylan wählte ausgerechnet diesen unpassenden Moment für sein Erscheinen. Und es war ihm völlig schnuppe, was los war.
    »Dad, das hab ich gehört. Du schuldest mir einen Dollar. Mom kann mir in Mathe nicht helfen. Sie kann nicht mal Prozentrechnen.« Er hielt seinem Vater trotzig sein Matheschulbuch hin. »Ich brauche deine Hilfe.«
    Dylan war bereits für die Schule angezogen: königsblauer Blazer, gestreifte Krawatte, Khakihose, Sneakers. Obwohl er seine Haare mit einem feuchten Kamm gekämmt hatte, stand am Hinterkopf ein störrisches Büschel hoch. Ich wollte ihn umarmen, aber er
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