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Morgen letzter Tag!

Morgen letzter Tag!

Titel: Morgen letzter Tag!
Autoren: C Süß
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nicht mehr die Letzten die Ersten, hier sind alle die Letzten. Alle werden vertilgt. Der zurückgekehrte Triumphator Jesus, der König, ist mit dem Opferlamm nicht deckungsgleich zu kriegen. Deswegen hatte Luther auch zunächst darüber nachgedacht, die Apokalypse aus der eigentlichen Schrift herauszunehmen und bei den Anhängen zu parken. Theologisch steht man hier nämlich vor einem unlösbaren Rätsel, politisch aber vor einer Offenbarung. Denn jetzt ist jede Gewalt legitimierbar. Man muss einfach nur, will man einen Gewaltakt legitimieren, den Anfang des Endes ausrufen und sich auf die letzten Tage berufen, in denen es vorbei ist mit Gnadenakten und Liebe, in denen es nur noch gilt, sich auf die richtige Seite zu schlagen. Die richtige ist freilich die Seite Gottes. Der Gegner aber ist nicht einfach nur ein politischer Widersacher, er hat sich auf die andere Seite geschlagen, auf die Seite des Antichristen, des Widersachers, des Teufels. So eschatologisch aufgeladen, kann man nun munter jede Gewalttat religiös rechtfertigen.
    Das fliegt doch auf, meinen Sie? Die Welt geht ja nicht tatsächlich unter. Oder zumindest ist sie es bislang noch nicht. Das müsste doch irgendjemandem aufgefallen sein! Im Nachhinein hatten alle Endzeit-Behauptungen unrecht. Das mag sein. Aber das Nachhinein zählt nicht. Das zeigt obige Liste. Man wird in religiösen Dingen aus Erfahrung eben nicht klug. Das kann auch gar nicht sein. Die Erfahrung gehört in den Bereich des empirisch Rationalen. Die Religion aber » west« in der Welt des Glaubens. Und so vergeht tatsächlich kein Krieg, kein Kreuzzug, keine Revolution, ohne dass von irgendjemandem an irgendeinem Punkt verkündet wird, jetzt gehe es um alles, die letzte Schlacht von Armageddon habe begonnen. (Auch wenn es dann doch nie die letzte ist.) Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Jetzt kann man sich munter gegenseitig als Antichristen beschimpfen. So wie Luther den Papst. So wie der Papst Luther. So wie Kaiser Friedrich II . den Papst– und umgekehrt. So wie der Papst den Gegenpapst. So wie die Christen die Moslems und die Moslems die Christen. Und alle freilich die Juden. Und die Juden ihrerseits alle anderen. Die Reihe der Beispiele wäre endlos, ich erspare sie uns.
    Und auch den genauen Blick auf das Heute können wir uns schenken, wenn wir uns kurz in Erinnerung rufen, wer noch mal genau im » Reich des Bösen« wohnte im » Kalten Krieg« oder sich auf der » Achse des Bösen« befand im » Krieg« gegen den Terrorismus. Das Reden vom » Reich des Bösen« ist überhaupt die Sprache der Terroristen. Egal , ob sie nun bei al-Qaida oder beim Pentagon angestellt sind.
    Die apokalyptischen Texte waren in Zeiten enormer politischer Bedrängnis entstanden. Zum Beispiel das Buch Daniel (der wichtigste apokalyptische Text der Juden) während der Schreckensherrschaft der Seleukiden über Israel, die Offenbarung des Johannes während der Christenverfolgungen unter Kaiser Nero. Daher wohl die ausufernden Rachephantasien. Die Ohnmächtigen und Verfolgten rächen sich »virtuell« an ihren Unterdrückern. Später konnten die Texte dann benutzt werden, damit Mächtige– oft im Gegensatz zur politischen Realität– sich zum Opfer stilisieren und in der Folge ausufernde Gewalt legitimieren konnten.

Die Dramaturgie des Untergangs
    Zum Heiligen Krieg kann immer aufgerufen werden, in allen Religionen, die Struktur der Endzeit wird immer auf die gleiche Art beschrieben und erkannt. Und sie gibt die immer gleichen Handlungsanweisungen beziehungsweise gleichen Legitimationsmöglichkeiten für hemmungslose Gewalt her. Wir haben es also mit einer Dramaturgie zu tun, der sich alle großen Weltreligionen bedienen. Da läuft immer derselbe Film:
Es wird festgestellt, dass die Welt eine manichäische Struktur hat. Das heißt, sie ist gespalten zwischen Gut und Böse, Licht und Schatten, Yin und Yang, Schwarz und Weiß, Coca Cola und Pepsi. Die beiden Teile der Welt stehen sich unversöhnlich gegenüber und führen einen ständigen Krieg um die Seelen der Menschen.
Die Gegenwart ist eine einzige Schweinerei. Gemeinheit, Betrug, sinnloses Geficke und Unglauben sind an der Tagesordnung und – besonders wichtig – an der Macht! Die Gläubigen aber sind mit ihren Läuterungsaufrufen in der Defensive. Die Welt befindet sich in einem Zustand, in dem sie dringend gerettet oder aus Hygienegründen abgeschafft werden muss … Koyaanisqatsi … Koyaanisqatsi …
Der Satan wird Herr der Welt. (Oder noch
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