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Mordsviecher

Mordsviecher

Titel: Mordsviecher
Autoren: Nicola Förg
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kimm! Das geht uns doch nix an. Ich hab jetzt Feierabend. Das Meeting in Weilheim war ja wohl genug für den Tag, oder?«, maulte Kathi.
    Kathi hasste solche Fahrten ins »Flachland aussi«, wie sie sich auszudrücken pflegte.
    »Ich fahr da jetzt hin«, sagte Irmi, und ihr Ton wurde einen Tick schärfer. »Ich lass dich gern an deinem Auto raus.«
    »Ja, ist ja gut. Dann lass uns halt zu Sailer in die Hölle fahren«, zischte Kathi.
    Warum blieb Irmi dieser Satz im Kopf, während sie weiterfuhr? Kathi schwieg beharrlich wie ein Trotzkind, während Irmi auf die Straße starrte und ihren Scheibenwischer auf die höchste Stufe schaltete, weil ein erneuter Schauer durchzog. Mit dem Regen kamen nasse Blätter von irgendwoher, eines verklemmte sich im Wischblatt und zog eine Spur über die Scheibe. Die Hölle, was um Himmels willen hatte Sailer mit der Hölle zu schaffen?
    Als Irmi in die Stichstraße einbog, waren dort wirklich Fahrzeuge in Armeestärke angerückt. Polizeiautos parkten den Weg zu, ein Kollege wedelte mit den Händen und deutete Irmi an, dass sie zur Seite fahren solle. Sie manövrierte den Wagen halb in die Hecke und beobachtete einen Konvoi aus Pferdehängern, der gerade einfuhr.
    »Was ist denn das hier?« Kathi hatte die Stirn gerunzelt.
    Irmi ließ den letzten Pferdehänger durch und stieg aus. Kathi kletterte über die Mittelkonsole und stellte sich zu ihrer Kollegin. Es hatte aufgehört zu regnen, doch es war schneidend kalt. Sicher fünf Grad kälter als in Weilheim.
    »Sepp!« Irmi schnippte mit den Fingern und sah den Kollegen, der sie eingewiesen hatte, scharf an. »Was ist hier los?«
    »Irre. Solche san Irre«, rief Sepp und eilte davon, weil sein Funk fordernd knarrte und rauschte.
    Irmi und Kathi gingen durch das Tor. Weitere Autos, Hänger, ein Lkw, zwei Kleinbusse, ein Notarztwagen, und dann erkannte Irmi die Amtstierärztin Doris Blume, die mit ihrem Rotschopf die Szenerie erhellte.
    »Frau Mangold!«
    »Bitte, was ist hier los? Hier scheinen alle die Sprache verloren zu haben.«
    »Das passiert schon mal, wenn das Unvorstellbare sprachlos macht. Wir vom Amt und vom Tierschutz sehen so was leider öfter, Frau Mangold. In dieser krassen Form allerdings schon lange nicht mehr. Das hier ist die Hölle.«
    Da war es wieder, das Wort. Irmi und Kathi folgten der Amtstierärztin, deren leicht schwäbischer Akzent ihrer Rede etwas Charmantes verliehen hatte. Unpassend charmant, denn nun waren auch Irmi und Kathi an der Pferdekoppel angelangt. Vier große unförmige Gebilde im Matsch waren mit Planen überdeckt, eine Plane war kleiner. Unter den Abdeckungen ragten Hufe hervor, und das Bizarrste war, dass sich diese Hufe wie Schnabelschuhe aufgebogen hatten, wie bei mittelalterlichen Gauklern … Dieses Bild sollte Irmi lange nicht mehr verlassen. Sie schluckte.
    »Vier mussten wir sofort einschläfern. Das Fohlen war schon tot. Zertrampelt.«
    Doris Blumes Sprache war sachlich. Obwohl Irmi eigentlich nicht hinsehen wollte, glitt ihr Blick immer wieder über die Herde. Klapperdürre Tiere, viele mit schwärenden Wunden, eine junge Frau war gerade dabei, aus der Flanke eines Pferdes mit der Pinzette Würmer zu entfernen. Dabei redete sie leise mit dem Tier und lächelte ihm immer wieder zu. Irmi war nahe dran, sich zu übergeben. Kathi gab ein seltsames Geräusch von sich.
    »Ich hab ein paar Kollegen aus der Veterinärmedizin informiert«, sagte die Tierärztin und wandte sich dann an Kathi: »Geht’s denn?«
    Kathi nickte, und Irmi kämpfte weiter gegen die aufsteigende Magensäure, während Doris Blume in alle Richtungen schnelle, knapp formulierte Befehle gab. Aus einem der Nebengebäude kam gerade die Chefin des Garmischer Tierheims. Sie trug einen großen Korb.
    »Die packen’s, mein ich.« Sie nickte Irmi und Kathi zu. »Wird etwas dauern, bis sie Vertrauen gefasst haben. Die seelischen Schäden sind meist das Schlimmere.« Die Welpen in dem Korb starrten nur so vor Kot und Schmutz, fünf von ihnen wirkten apathisch, eines aber versuchte, einem der Geschwisterchen spielerisch ins Ohr zu beißen. Irmi schossen Tränen in die Augen. Heiße salzige Tränen, Tränen der Wut und der Verzweiflung. Kathi war ein paar Schritte zur Seite getreten, ihre Schultern zuckten.
    »Bei den Hunden ist es noch vergleichsweise erträglich«, meinte die Leiterin des Tierheims. »Sie hatten immerhin einen großen Raum und einen Zwinger. Kaum Wasser, kaum Futter, alles total zugekotet, aber ich habe schon Fälle
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