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Mordrausch

Mordrausch

Titel: Mordrausch
Autoren: John Sandford
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geprobt und besprochen, und bestimmt hatte der eine oder andere um gutes Gelingen gebetet. Und nun war es so weit.
    Trotz der Tablette fiel es ihr schwer, zur Ruhe zu kommen. Sie stellte sich immer wieder den ersten Schnitt ihres Skalpells vor, der die Haut zwischen den Schädeln der Kinder teilte. Irgendwann vor halb zehn schlief sie schließlich ein.
    Sie merkte nicht, wie ihr Mann sich um ein Uhr nachts zu ihr gesellte. Er entkleidete sich leise im Dunkeln, legte sich vorsichtig neben sie und lauschte auf ihren gleichmäßigen Atem, bis er ebenfalls wegdöste.
    Sie schlug die Augen auf.
    Dunkel, jedoch nicht ganz still; sie hörte das Geräusch des Heizofens in der Winternacht. Weather warf einen Blick auf die Uhr: halb fünf. Sie hatte sieben Stunden geschlafen. Acht wären ideal gewesen, aber die schaffte sie nie. Sie machte die Augen noch einmal zu, um sich zu sammeln und den bevorstehenden Tag im Geiste durchzugehen. Um zwanzig vor fünf stand sie auf, streckte sich und tappte ins Bad neben dem Schlafzimmer. Sie fühlte sich topfit. Wunderbar. Weather putzte sich die Zähne, duschte, wusch und fönte ihre kurz geschnittenen blonden Haare.
    Sie durchquerte das Zimmer barfuß im Licht der beiden Digitalwecker. Die Kleidung, einen warmen schwarzen Seidenwollpullover und eine graue Wollhose sowie schicke schwarze Schuhe mit breiter Spitze, hatte sie bereits am Vorabend zurechtgelegt. Lieber wären ihr Turnschuhe mit weichen Sohlen gewesen, wie die Krankenschwestern sie trugen, doch Chirurgen kleideten sich nicht wie Schwestern. Sogar die Einlegesohlen verschwieg sie lieber.
    Sie nahm ihre Sachen ins Bad mit, schloss die Tür und zog sich an. Als sie fertig war, betrachtete sie sich im Spiegel: nicht schlecht.
    Manchmal wünschte sich Weather, ein wenig größer zu sein, weil Größe Autorität verlieh, und eine scharf geschnittene Nase zu haben. Doch ihr Mann meinte, ihre Befehle seien noch immer befolgt worden, und ihre »Knollennase«, wie sie sie nannte, finde er ausgesprochen attraktiv – wie übrigens ziemlich viele Männer.
    Also: nicht schlecht.
    Sie lächelte sich selbst im Spiegel zu und vergewisserte sich, dass die Hose kein breites Hinterteil machte, schaltete das Licht aus, öffnete die Badtür und schlich auf Zehenspitzen durchs Schlafzimmer. Ihr Mann wünschte ihr aus der Dunkelheit viel Glück.
    »Ich hab gar nicht gemerkt, dass du wach bist.«
    »Ich bin wahrscheinlich nervöser als du«, sagte er.
    Sie trat ans Bett und küsste ihn auf die Stirn. »Versuch weiterzuschlafen.«
    Unten in der Küche aß sie zwei Scheiben Toast und einen Joghurt und trank eine Tasse löslichen Kaffee. Dann nahm sie ihre Tasche, marschierte zum Wagen hinaus, fuhr aus der Garage über die verschneiten Straßen in die Stadt und über den Fluss zum Minnesota Medical Research Center. Vielleicht, dachte sie, wäre sie als Erste des vierzigköpfigen Operationsteams da, vielleicht war aber auch jemand noch aufgeregter als sie.
    Im Krankenhaus stürmten die drei Männer durch die gelbe Tür in die Apotheke.
    Dort arbeiteten zwei Leute, ein klein gewachsener, schlanker, älterer Mann, der möglicherweise in seiner Jugend Tänzer gewesen war. Er trug einen zotteligen Backenbart sowie ein Ziegenbärtchen. Wenn er in die Klinik kam, setzte er als Erstes eine OP-Haube auf, weil er damit in der Cafeteria mehr Eindruck machte. Seine Kollegin war eine geschäftige, zupackende, grobschlächtige Frau in Schwesternuniform, die immer die Inventur am Ende der Schicht durchführte und überprüfte, ob nichts aus den Medikamentenschränken fehlte.
    Manche der Arzneien besaßen auf der Straße so gut wie keinen Wert, denn wer zahlte dort schon dafür, die Qualen der Schuppenflechte zu lindern?
    Doch die meisten waren auf der Straße des Alters, der Nicht-Versicherten, der Junkies sogar sehr viel wert. Eine halbe Million Dollar? Eine Million? Möglich.
    Die drei überwältigten die beiden Krankenhausangestellten im Handumdrehen. Die Frau hatte gerade noch Zeit, »Nicht« zu wimmern, bevor einer der Männer sie auf den Boden drückte, ihr die Waffe vors Gesicht hielt und sie anherrschte: »Schnauze.« Der Mann mit dem Ziegenbärtchen sank mit erhobenen Händen in einer Ecke auf sein Hinterteil.
    Der Anführer der drei erklärte den beiden mit vorgehaltener Pistole: »Flach auf den Boden. Und legt die Hände hinter den Rücken. Wir wollen euch nichts tun.«
    Die zwei taten, was er verlangte. Sein Komplize fesselte sie mit grauem Isolierband.
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