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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN
Autoren: Mark Benecke
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seine Ehefrau Aziza nahm alle Schuld auf sich und blieb dabei, ihr Ehemann hätte nichts mit der Tat oder der Zerstückelung zu tun.
    Wer auch immer die Leiche zerlegt hatte, konnte es offenbardeshalb, weil er öfter Schafe hausschlachtete. * Beim Schlachten werden stets die inneren Organe entfernt, und diese Gewohnheit hatte der Hobbymetzger auch auf seinen Verwandten angewendet. Der Fachmann oder die Fachfrau wusste auch, wie man einen Körper entblutet. Dabei halfen ihm oder ihr breite, flache Schüsseln, die in der Familie eigentlich zur Zubereitung von Couscous verwendet wurden. Zuletzt riss der Täter den blutgetränkten Teppichboden heraus. Das ersparte der Familie nicht nur ein verdächtig langes Putzen und Schrubben, sondern stellte die Ermittler zunächst auch vor die scheinbar unlösbare Frage, wie eine solche Tat ohne Blutspuren vonstatten gehen konnte.
    Wer Hassan Rhafes wirklich tötete, ist wegen des Geständnisses der Mutter bis heute unklar. Das Einzige, was Aziza Rhafes vor der 12. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts sagte, war, dass »er (Hassan) meine Tochter ins Schlafzimmer zerren und entehren wollte. Da habe ich das Messer auf der Spüle liegen sehen«. Mehr war aus der damals 45-jährigen Frau vor Gericht nicht herauszubringen. Ihr Verteidiger erklärte, das solle als Schuldeingeständnis gewertet werden.
    Bei der polizeilichen Vernehmung hatte Aziza ausführlicher geschildert, wie die Tat ihrer Meinung nach abgelaufen war. Ihr aggressiver und drogenabhängiger Schwager Hassan sei, wie schon oft, gegen neun Uhr abends aufgetaucht und habe rüde Schmuck und Geld von ihr verlangt. Als er dann auch noch Saliha bedrängte, griff sie zu einem Fleischermesser, das auf der Spüle lag, und stach zu. Während ihr Schwager starb, soll Saliha zusammengebrochen sein. Die Mutter schickte ihre Tochter daraufhin ins Wohnzimmer und machte sich allein ans Zerlegen der Leiche.
    Bis etwa ein Uhr nachts soll es gedauert haben, den Körperzu verpacken, die Blutspuren zu beseitigen und das Kanonenöfchen im Bad mit Kohle anzuheizen. Dort gelang es ihr mit erstaunlichem Erfolg, die Organe, den Kopf und die Hände teilweise zu verbrennen.
    Kaum dass die Nachbarn von dieser Tatversion aus der Zeitung erfuhren, berichteten sie von schwarzem Rauch, der in der entsprechenden Nacht und am Morgen über ihren Dächern gehangen habe – auch dies übrigens ein Anklang an die Lebensgeschichte von Fritz Haarmann. Denn schon damals wurde angeblich öliger Rauch wahrgenommen, obwohl Haarmann wohl nie Leichenteile verbrannt hat: Wenn er sie nicht als preiswertes Fleisch verkaufte, warf er sie in eine Toilette im Hof oder in die Leine.
    Wie schwierig es ist, eine Leiche zu zerkleinern, zeigt der direkte Vergleich: Als geübte Hobbyschlachter benötigten Frau oder Herr Rhafes für das reine Zerlegen des Körpers zwei Stunden, während sich der unerfahrene Fritz Haarmann damit anfangs mehrere Tage abquälte.
    Ob die Leichenteile zuletzt wirklich mit einem Einkaufswagen durch die Kalker Straßen transportiert wurden, wie Aziza aussagte, weiß niemand. Sicher ist nur, dass die Tötung ihres Schwagers weder das Werk eines Irren noch eines gefühllosen Serientäters war. Im Gegenteil. »Er (Hassan) hat mich und meine Tochter berührt«, sagte die Mutter der psychiatrischen Sachverständigen, »das ist eine große Schande für uns.« Und damit brachte sie den gesamten Fall kulturell auf den Punkt. Es handelte sich um eine klassische, unduldbare Ehrverletzung. Das Besondere daran war nur, dass möglicherweise wirklich die Mutter und nicht das männliche Familienoberhaupt zum Messer griff.
    Auch der Ehemann der Angeklagten wies mit seinen wenigen offiziellen Worten in die einzig wahre Richtung. Zwar lehnte er als Familienangehöriger die Aussage ab, doch eines wollte er loswerden. »Es tut mir sehr Leid«, sagte der Marokkaner, »dass ich meine Frau nicht beschützen konnte.«
    * Möglicherweise, um sie unerlaubt zu schächten. Muslimischen Metzgern ist das Schächten in Deutschland erst seit 2002 erlaubt. Es könnte sich aber auch um Schwarzschlachtungen unbeschauter Tiere gehandelt haben.
Neue Techniken und alte Unwägbarkeiten
    Gut 100 Jahre vor der Entdeckung genetischer Fingerabdrücke brachte die Untersuchung von Hautleistenabdrücken (den herkömmlichen Fingerabdrücken) die erste Ermittlungsrevolution – allerdings nicht in Deutschland, sondern in Südamerika. Die deutschen Kriminalisten waren sich nicht sicher, ob sich
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