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Mordlicht

Mordlicht

Titel: Mordlicht
Autoren: Hannes Nygaard
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denn um diese Zeit von mir?«
    »Lass doch. Komm
schon. Is noch ‘n weiter Weg – die ganze Flensburger längs.«
    »Dauert nich lang«,
ließ sich Thorben nicht irritieren und steuerte den Schatten des
Eingangsbereichs vom Palmengarten, einem Einkaufsparadies, an, um ungestört
telefonieren zu können.
    »Ich geh mal ‘ne
Runde pinkeln«, gab sein Kumpan von sich und verschwand in die Dunkelheit der
Langenharmstraße, einer Seitenstraße, die zum Altstadtparkhaus und zu den benachbarten
Parkplätzen führte. Doch er kam nicht weit. Kurz nachdem er in der kleinen
Straße verschwunden war, hörte er hastige Schritte und die aufgeregte Stimme
seines Begleiters, von dem jede alkoholbedingte Trägheit abgefallen schien.
Überrascht drehte er sich um.
    »Was’n los?«
    »Da liegt einer. Mit
ganz viel Blut um sich rum«, jappte Thorben. »Ich glaub, wir müssen die Bullen
anrufen.«
    »Hast wohl einen zu
viel eingefüllt«, raunzte Malte, gab aber doch sein Vorhaben auf und folgte
seinem Kameraden. Schon von weitem sahen sie die Gestalt, die zusammengesunken
am Pfeiler des Eingangs zwischen Buchhandlung und dem Geschäft für
Haushaltsaccessoires kauerte. Der Kopf des Mannes war auf die Brust gefallen,
die Arme hingen seitlich auf den Boden herab. Der Oberkörper war zur Seite
gerutscht und wurde nur durch die Glastür in einer halbwegs sitzenden Position
gehalten. Das helle Licht des Einkaufparadieses beleuchtete die Szene.
    An den grauen
Quadersteinen der Hausfront war eine Blutspur zu erkennen, die etwa in Kopfhöhe
begann und dann abwärts führte.
    »Der ist hin«, sagte
Thorben, »komm, wir verkrümeln uns.«
    »Quatsch. Wir müssen
Hilfe rufen. Gib mal dein Handy.«
    Thorben gab Malte
bereitwillig das Mobiltelefon. Mit zittrigen Fingern wählte der junge Mann die
Notrufnummer. Als sich am anderen Ende eine Stimme mit »Polizei Husum« meldete,
stammelte er: »Kommen Sie schnell. Da liegt einer im Eingang zum Palmengarten,
vorn, bei der Buchhandlung. Ich glaube, der ist hin.«
    *
    Als Christoph am Tatort eintraf, wurde die Straßenkreuzung
im Zentrum von zuckenden Blaulichtern erhellt. Wie Finger wischten die Strahlen
der rotierenden Lampen über die Fassaden der nächtlichen Stadt. Neben zwei
Einsatzfahrzeugen der Polizei stand ein Notarztwagen mitten auf der zum
Marktplatz führenden Großstraße.
    Noch bevor Christoph ausgestiegen war, kamen ihm Harm
Mommsen und ein Schutzpolizist entgegen. Der uniformierte Kommissar mit der
Lederjacke tippte kurz an seine Mütze und ließ im Chor mit Mommsen ein lang
gezogenes »Moin« hören. Christoph hatte sich während seiner Zeit in Husum an
diesen Gruß gewöhnt. Zu jeder Tages- und Nachzeit begrüßte man sich mit einem
»Moin«, das allerdings lang ausgesprochen wurde und eher wie ein »Moo-ien«
klang. Er erwiderte den Gruß. Mit einem Blick registrierte er die Situation.
Bevor er fragen konnte, begann Mommsen zu erläutern. »Zwei junge Männer haben
den Toten gefunden.«
    Als Mommsen auf die Gestalt im Eingangsbereich zeigte,
fragte Christoph: »Den Toten?«
    »Der Notarzt hat den Tod festgestellt. Auf weitere
Erklärungen wollte er sich nicht einlassen. Aber der Doc ist schon
verständigt.«
    Damit meinte Mommsen Dr. Hinrichsen, der in Husums
Schlossgang eine Praxis betrieb und in der Region als Polizeiarzt tätig war.
Dank seiner Erfahrung hatte er der Polizei in der Vergangenheit schon viele
wertvolle Dienste geleistet.
    »Gibt es Zeugen? Andere Hinweise?«
    »Nein.« Mommsen sah zu den Schaulustigen hinüber, die
sich trotz der nächtlichen Stunde eingefunden hatten. »Niemand. Thomas hat sie
schon befragt.«
    Jetzt mischte sich Thomas Friedrichsen, der
Steifenbeamte, ein. »Keiner hat etwas gesehen oder gehört. Die beiden Kollegen
aus dem zweiten Wagen suchen die nächste Umgebung ab, aber viel Hoffnungen
haben wir nicht.«
    Sie blickten auf, als sie das gequälte Aufheulen eines
Motors hörten, dann sahen sie zwei eng beieinander stehende Scheinwerfer vom
Binnenhafen die Hohle Gasse hochkommen. Mit quietschenden Reifen hielt der
Smart vor der Fensterfront des benachbarten Shops eines Versandhauses. Aus dem
Kleinwagen schälte sich Große Jäger heraus, ließ die Tür seines Autos offen und
störte sich nicht an der aus den Lautsprechern in die stille Nacht
hinausdröhnenden Hip-Hop-Musik.
    Statt einer Begrüßung warf er einen Blick auf den
Toten und brummte dann in seinen Dreitagebart: »So ‘ne Scheiße. Mitten in der
Nacht. Und wieder bei uns in
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