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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)
Autoren: Anne Perry
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Frau auf den Saum ihres ein wenig zu langen Rocks trat.
    »Entschuldigung«, warf ihm Pitt über die Schulter zu, während er weitereilte.
    »Jack!«, rief er, gerade als dieser eine Unterhaltung mit einem jungen Mann begann, der bemerkenswert üppige Koteletten trug. »Jack.«
    Sein Schwager wandte sich erschrocken um. »Thomas! Was ist los?«
    »Entschuldigen Sie bitte«, wandte sich Pitt an den jungen Mann. »Ein Notfall.« Er zog Jack am Ärmel einige Schritte beiseite, sodass niemand hören konnte, was er sagte. »Es hat heute Nachmittag im Zug einen Zwischenfall gegeben. Man hat auf einen der Männer des Herzogs geschossen – er war auf der Stelle tot.«
    Jack riss vor Entsetzen die Augen weit auf. Sein Gesicht war mit einem Mal kreidebleich. Er musterte Pitt von Kopf bis Fuß, und als er merkte, dass dieser unverletzt war, trat ein Ausdruck von Erleichterung in seine Augen. »Das tut mir leid. Der Herzog hat sich nicht das Geringste anmerken lassen. Oder steckt er mit seinen Gedanken so tief in seinen wissenschaftlichen Untersuchungen, dass ihn die Wirklichkeit nicht interessiert? Er weiß doch sicher Bescheid?«
    »Ja. Und ich kann dir sagen, dass er alles andere als wirklichkeitsfremd ist.«
    »Weißt du, wer es war?«
    »Ja, aber das kann ich dir erst später sagen. Der Herzog war vor ein paar Minuten hier, und jetzt sehe ich ihn nicht mehr. Hinter der ganzen Sache steckt Blantyre, und ihn sehe ich auch nicht. Ich vermute, dass er versuchen wird, das angefangene Vorhaben zu beenden …«
    »Hier? Um Gottes willen, Thomas, hier wimmelt es von Frauen und …«
    »Gibt es einen geeigneteren Ort?«, fiel ihm Pitt ins Wort. »Niemand wird damit rechnen. Der Herzog und seine Begleiter werden annehmen, dass sie hier in Sicherheit sind. Ich hätte das fast auch gedacht, bis mir aufging, warum ihn Blantyre unbedingt aus dem Weg räumen muss. Er kann auf keinen Fall zulassen, dass der Mann nach Wien zurückkehrt.«
    Jack schluckte. »Und was soll ich tun?«
    »Versuch ihn zu finden, sag ihm, dass du mein Schwager bist, und sorg dafür, dass er immer von möglichst vielen Leuten umgeben ist.«
    »Und du?«
    »Ich versuche Blantyre aufzuspüren.«
    »Was hast du vor?«
    »Ich werde ihn festnehmen. Sofern er mir aber keine andere Wahl lässt, werde ich ihn erschießen.« Noch während er das sagte, war er nicht sicher, ob er Letzteres wirklich über sich bringen würde.
    Einen Augenblick lang stand Jack reglos da, dann nickte er knapp, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in der Menge.
    Wohin mochte Blantyre verschwunden sein? Zwei Möglichkeiten kamen Pitt in den Sinn. Er konnte sich in der Menge der zahllosen Männer, die für den Abend ebenso gekleidet waren wie er, verborgen halten. Doch man kannte ihn, viele Leute würden stehenbleiben, um ihn anzusprechen, ihm ihr Beileid auszudrücken. Jeder, der sich aufmerksam umsah, würde ihn früher oder später entdecken. Einige höfliche Fragen, und Pitt würde jemanden finden, der ihm zeigen konnte, wo Blantyre sich befand.
    Daher war es wahrscheinlicher, dass sich der Mann in den dunkleren Gängen des Palastes oder anderswo verborgen hielt, wo man nicht mit seiner Anwesenheit rechnete. Wenn er seine Haltung und sein Bewegungsmuster ein wenig änderte, würde er aussehen wie jeder andere, womöglich sogar wie ein Dienstbote. Zwar trugen die Lakaien Livree, aber im Palast gingen auch noch andere Männer ein und aus, beispielsweise Boten.
    Falls er wirklich die Absicht hatte, Herzog Alois zu ermorden, konnte das nur an einer abgelegenen Stelle geschehen, denn er würde auf keinen Fall erkannt oder gar gefasst werden wollen.
    Rasch eilte Pitt erneut die Stufen empor. Sie waren zu breit und zu flach, als dass er jeweils zwei auf einmal hätte nehmen können, ohne allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen. Oben blieb er stehen und versuchte festzustellen, wo es ruhigere Räume gab, Korridore, Vorzimmer, Seitengemächer, in denen sich die Menge nicht drängte. Falls er Stoker finden konnte, würde er ihn um seine Hilfe bitten, doch hatte er jetzt keine Zeit, eigens nach ihm zu suchen. Auch Stoker konnte sonstwo sein.
    Links von sich sah er eine Tür. Es spielte keine Rolle, wo er begann, da konnte er gleich dort anfangen. Als er sie geöffnet hatte und eingetreten war, ging ihm auf, dass eine systematische Suche mehr Erfolg versprechen würde. Es war gar nicht gesagt, dass Blantyre dem Herzog irgendwo auflauerte, denn in dem Fall war es möglich, dass er ewig würde warten
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