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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)
Autoren: Anne Perry
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verstanden.«
    Sie errötete. »Ich weiß, und das tut mir auch leid. Ich hatte angenommen, dass sie sich wichtig machen wollte.« Sie holte tief Luft. »Dabei war ich das.« Sie unterließ es hinzuzufügen, dass sie gefürchtet hatte, Jack sei mit seiner Beförderung zu Tregarrons persönlichem Assistenten überfordert gewesen. Er mochte das vermuten, es war ihr aber lieber, dass er es nicht wusste. »Wir verstehen uns jetzt wieder besser«, fügte sie hinzu. Da er sie nach wie vor ansah, lächelte sie ihm beruhigend zu und erkannte, dass er sich entspannte. Daraufhin fragte sie sich, wie große Sorgen er sich gemacht haben mochte. Sicher war es besser, sie sprachen nicht darüber, damit sie beide so tun konnten, als glaubten sie einander.
    Sie hängte sich bei ihm ein. »Lass uns zu der alten Herzogin dort hinten gehen und ein bisschen plaudern, auch wenn sie ermüdend langweilig ist.«
    »Es genügt, wenn du ihr zuhörst«, gab er zurück. Flüchtig drückte er ihre Hand und ging dann zusammen mit ihr stracks auf die verwitwete alte Dame zu.
    »Das genügt nicht«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Du musst auch lächeln und an den richtigen Stellen nicken. Außerdem darfst du nicht unruhig von einem Fuß auf den anderen treten und zu anderen Leuten hinübersehen.«
    Fast genau unter dem großen Kronleuchter stand Narraway neben Lady Vespasia. Sie gönnten sich eine kurze Atempause von den nichtssagenden Unterhaltungen mit anderen Gästen.
    »Ich sehe Pitt nicht«, sagte er. »Seine Frau scheint sich aber keine Sorgen zu machen, obwohl er doch eigentlich zusammen mit Herzog Alois hier sein sollte. Stoker habe ich gesehen. Er hat sich als Lakai getarnt. Aber das genügt nicht.«
    Sie sah ihn aufmerksam an. »Befürchtest du, dass hier im Palast etwas geschehen könnte?«
    »Es ist wenig wahrscheinlich, aber nicht unmöglich«, sagte er kaum hörbar.
    Diese Worte beunruhigten sie. Sie wandte sich ihm zu, musterte ihn aufmerksam und versuchte, an seinem Gesicht zu erkennen, ob diese Äußerung auf eine wirkliche Befürchtung zurückging oder lediglich Vorsicht ausdrückte. Seine Augen waren umschattet, nahezu schwarz, und die Linien um seinen Mund tief eingegraben.
    »Ein Verbrechen, hier?«, flüsterte sie.
    Er legte beruhigend seine Hand auf ihre. Seine kräftigen Finger verströmten Wärme. »Nein, nichts so Melodramatisches, meine Liebe. Eher ein rasches Handgemenge im Schatten eines Korridors, und am nächsten Morgen findet man hinter einem der Vorhänge eine Leiche.«
    Sie sah ihm aufmerksam in die Augen und entdeckte nicht den geringsten Hinweis auf einen Scherz darin, lediglich die sanfte Ironie, mit der er seinen Worten die Schärfe zu nehmen pflegte.
    »Ich weiß nicht, wo Thomas ist«, sagte sie. »Möglicherweise hat ihn etwas Wichtiges abgehalten, wovon wir noch nichts wissen. Herzog Alois macht mir ganz den Eindruck eines Menschen, dem es nicht leichtfällt, seine Empfindungen zu beherrschen. Übrigens habe ich auch Lord Tregarron noch nicht gesehen. Du?«
    »Nein. Bitte frag … nicht nach ihm.« Er hielt inne, unsicher, wie er fortfahren sollte.
    »Keine Sorge«, versprach sie. »Das werde ich zumindest einstweilen nicht tun.«
    Diesmal lachte er kaum hörbar. »Natürlich wirst du es doch tun. Sei aber bitte vorsichtig. Ich habe das schreckliche Gefühl, dass die Gefahr noch nicht vorüber ist.«
    »Mein lieber Victor, du wirst dich immer um Gefahren sorgen. Das hoffe ich, und du selbst tust es im Übrigen auch. Es wäre dir lieber, ruhmvoll unterzugehen, als vor Langeweile zu sterben. Ganz wie mir.«
    »Noch ist es nicht so weit.« Er holte tief Luft. »Und das gilt auch für dich.«
    Freude durchflutete sie. »Dann werde ich versuchen dafür zu sorgen, dass mein nächster glorreicher Auftritt nicht mit dem Ende zusammenfällt.« Sie sagte das mit munterer, zugleich aber auch leicht erstickter Stimme. Sie war ebenso wenig bereit wie er, jetzt schon dem Ende ins Auge zu sehen.
    Knapp zwei Stunden nach Beginn des Empfangs traf Pitt im Kensington-Palast ein. Die Pistole beulte die Tasche seines Abendanzugs aus und zog sie schwer nach unten. Er hatte nach seiner Rückkehr in die Stadt in der Keppel Street Tregarrons Gewehr im Kleiderschrank eingeschlossen, sich gewaschen, rasiert und umgezogen, rasch ein mit kaltem Fleisch belegtes Brot gegessen, eine Tasse Tee getrunken, das Haus verlassen und eine Droschke angehalten. Dem Kutscher hatte er eine zusätzliche Bezahlung dafür versprochen, dass er ihn so
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