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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)
Autoren: Anne Perry
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lange nach ihm suchen musste, wenn er zurückkam. Sofern Pitt es rechtzeitig fand, brauchte er nur auf den Mann zu warten. Dazu musste er wissen, in welcher Richtung die Hauptstraße nach London lag.
    Er stieg den Hang ein Stück empor. Vielleicht sollte er einen kräftigen Baum erklimmen, um aus der Höhe festzustellen, ob er die Straße sehen konnte. Das Pferd würde sich dann irgendwo in deren Nähe befinden. Er ging rascher, auf die Gefahr hin, dass er einen Vogel aufscheuchte oder doch ein Zweig unter seinen Füßen knackte.
    Auf der nächsten Erhebung wählte er eine kräftige hohe Erle, steckte die Pistole ein und machte sich daran, den Baum zu erklimmen. Es fiel ihm schwer. Es war sicher mindestens zwanzig Jahre her, dass er so etwas zuletzt getan hatte.
    Es dauerte eine Weile, bis er hoch genug war, um einige Kilometer weit freie Sicht zu haben. Während er den Oberkörper drehte, um in alle Richtungen zu spähen, begann der Wipfel des Baumes zu schwanken. Es empfahl sich also, nicht noch höher zu klettern. Wenn die Spitze unter seinem Gewicht abbrach, würde er nicht nur hinabstürzen, sondern sich unter Umständen auch schwer verletzen. Ganz davon abgesehen würde das beträchtlichen Lärm machen und dem Schützen anzeigen, wo sich sein Verfolger befand.
    Den linken Arm fest um den Stamm gelegt, sah Pitt sich um, so gut es ging. Schon bald entdeckte er die Straße. Sie verlief von Süden nach Norden und bog dann nach Westen ab. Zweifellos hatte der Schütze sein Pferd dort in der Nähe angebunden. Wenn er erst einmal die Straße erreicht hätte, bräuchte er keine Verfolger mehr zu fürchten. Weit und breit hatte niemand ein Pferd, und es gab auch im Zug keine Möglichkeit, mit der Außenwelt Verbindung aufzunehmen, um Unterstützung herbeizurufen.
    Vorsichtig machte Pitt sich an den Abstieg und ging danach so rasch und so geräuschlos er konnte in Richtung Straße. Falls er sich irrte, würde ihm der Mann entwischen, doch hatte er ohnehin keine Möglichkeit festzustellen, wo dieser sich befand. Seinen Spuren am Boden zu folgen hätte viel zu lange gedauert, und außerdem wären sie bald verwischt.
    Von Zeit zu Zeit blieb Pitt stehen, um zu lauschen, hörte aber nichts als Vogelrufe, gelegentlich einen Flügelschlag und ein-, zweimal Hundegebell aus der Ferne.
    Er erreichte die Straße etwa hundert Meter von der Stelle entfernt, von der aus sich seiner Ansicht nach die Bahnlinie, bis zu der es rund eineinhalb Kilometer sein mochten, am raschesten und einfachsten erreichen ließ. Er hielt sich im Schatten der Bäume. Nachdem er sich orientiert hatte, suchte er erneut die Deckung des Waldes auf und schritt mit äußerster Vorsicht auf der Suche nach einer Lichtung voran, auf der man ein Pferd zurücklassen konnte, ohne dass jemand es von der Straße aus sah. Wenn der Schütze, nachdem er sich vergewissert hatte, dass seine Aufgabe erledigt war, erst einmal zurückgekehrt und aufgesessen war, würde es Pitt unmöglich sein, ihn anzuhalten, außer, indem er auf ihn schoss. Er hatte den Umgang mit Feuerwaffen von seinem Vater gelernt und war ein guter Schütze, aber eine Pistole war etwas gänzlich anderes als eine Schrotflinte oder eine Büchse. Ganz davon abgesehen würde es äußerst schwierig sein, einen Mann zu treffen, der auf einem galoppierenden Pferd saß, das womöglich noch dazu genau auf ihn zukam. Die Zeit würde nicht einmal reichen, um festzustellen, ob es der war, den er suchte – ebenso gut konnte es sich um einen harmlosen Reiter handeln, der zur falschen Zeit am falschen Ort war.
    All das dürfte auch dem Schützen klar sein.
    Pitt eilte voran, so schnell er konnte, und fiel an den wenigen offenen Stellen, an die er kam, in Laufschritt. Inzwischen befand er sich wieder tief im Wald. Als er das merkte, änderte er die Richtung und strebte erneut der Straße entgegen. Auf keinen Fall würde der Mann sein Pferd irgendwo gelassen haben, wohin er es durch dicht stehende Bäume führen musste, sondern lediglich so weit von der Straße entfernt, dass Vorüberkommende es nicht sahen.
    Fast wäre Pitt an ihm vorbeigelaufen. Es war ein herrliches Tier, das friedlich das Gras abweidete, soweit ihm das der lange Strick erlaubte. Es hörte ihn im selben Augenblick, als er es sah, hob den Kopf und schaute neugierig zu ihm herüber.
    Pitt holte schon Luft, um beruhigend auf es einzureden, doch dann fiel ihm gerade noch rechtzeitig ein, dass der Mann in der Nähe sein konnte und ihn dann hören würde.
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