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Mord im Herbst: Roman (German Edition)

Mord im Herbst: Roman (German Edition)

Titel: Mord im Herbst: Roman (German Edition)
Autoren: Henning Mankell
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Garten, der ein dunkles Geheimnis barg.
    Ich finde nie mehr ein Haus, dachte er. Kein Haus, keinen Hund, keine neue Frau. Es bleibt alles, wie es war.
    Er trank seinen Tee und legte sich aufs Bett. Weil Sonntag war, sollte er eigentlich das Laken wechseln, ein Brauch, den Linda eingeführt hatte. Aber er war zu schlapp.
    Als er erwachte, waren mehrere Stunden vergangen. Vor dem Fenster war es pechschwarz. Linda war noch nicht nach Hause gekommen. Er ging in die Küche und trank Wasser. Als er das Glas auf die Spüle stellte, klingelte das Telefon im Flur.
    »Wallander.«
    »Nyberg hier. Wir warten.«
    »Worauf?«
    »Auf dich. Was denkst du denn?«
    »Warum wartet ihr auf mich?«
    Nyberg atmete schwer am Telefon. Wallander wurde klar, dass der Kollege müde und gereizt war.
    »Hat die Vermittlung dich nicht angerufen?«
    »Hier hat keiner angerufen.«
    »Wie soll man verflucht noch mal vernünftige Polizeiarbeit leisten, wenn man sich noch nicht einmal darauf verlassen kann, dass eine Mitteilung weitergeleitet wird.«
    »Egal jetzt. Was ist denn passiert?«
    »Wir haben einen Körper gefunden.«
    »Körper oder Skelett?«
    »Na, denk mal nach. Ein Skelett natürlich.«
    »Ich komme.«
    Wallander legte auf, nahm einen Pullover aus dem Kleiderschrank und schrieb einen Zettel, den er auf den Küchentisch legte. Bin draußen bei der Arbeit . Er hastete zum Polizeipräsidium, um seinen Wagen zu holen. Als er dort ankam und in der Tasche suchte, fiel ihm ein, dass er den Schlüssel zu Hause auf den Küchentisch gelegt hatte.
    Für einen kurzen Moment war ihm zum Heulen zumute. Oder danach, einfach wegzugehen. Ohne sich umzudrehen. Zu gehen, um nicht wiederzukommen.
    Er kam sich vor wie ein Idiot. Ein Idiot, um den es ihm fast leid tat. Dann ging er zu einem Streifenwagen und bat darum, zum Fundort hinausgefahren zu werden. Sein Selbstmitleid war verschwunden und hatte sich in Wut verwandelt. Jemand hatte es versäumt, ihm mitzuteilen, dass er nach Löderup kommen sollte.
    Er lehnte sich zurück und hörte den Anrufen zu, die über den Polizeifunk kamen. Plötzlich tauchte das Bild seines Vaters in seinen Gedanken auf.
    Er hatte einen Vater gehabt. Eines Tages war er nicht mehr da gewesen. Auf einmal war die Zeit, der Abstand zwischen dem lebenden Vater und der Urne, die er in eine Grube auf dem Friedhof gesenkt hatte, nahezu ausgelöscht. Als wäre es gestern gewesen. Oder als wäre es nur ein Traum.
     
    Starke Scheinwerfer erleuchteten den Garten. Jedes Mal, wenn Wallander nachts an einen Tatort kam, an dem gearbeitet wurde, hatte er das Gefühl, einen Filmdrehort zu betreten.
    Nyberg kam ihm entgegen. Er war von Kopf bis Fuß lehmverschmiert. Nybergs schmutzige Overalls waren so bekannt, dass sie sogar in einem Spot der örtlichen Neujahrsrevue vorgekommen waren.
    »Ich weiß nicht, warum dir keiner Bescheid gesagt hat«, sagte er.
    Wallander hob abwehrend die Hand.
    »Das ist jetzt egal. Was habt ihr gefunden?«
    »Das habe ich dir schon gesagt.«
    »Das Skelett?«
    »Genau.«
    Wallander folgte Nyberg zu einer Stelle unmittelbar neben der, wo er gestolpert war. In einer etwa einen Meter tiefen Grube, die man hier ausgehoben hatte, lagen die Reste eines toten Menschen. Abgesehen von den Skelettteilen, die auf den ersten Blick intakt waren, lagen dort nur ein paar Kleiderfetzen.
    Wallander ging um die Grube herum. Nyberg hustete und schnäuzte sich. Martinsson kam aus dem Haus, gähnte und betrachtete Wallander, der nichts sagte, bevor er die Runde abgeschlossen hatte.
    »Wo ist Hurlén?«
    »Sie war schon auf dem Heimweg«, sagte Nyberg mit ironischer Stimme. »Aber ich habe sie angerufen, als wir auf weitere Knochen gestoßen sind. Sie kommt bald zurück.«
    Wallander und Martinsson gingen in die Hocke.
    »Mann oder Frau?«
    Es war Martinsson, der die Frage stellte. Wallander hatte zwar gelernt, dass man bei Skelettfunden die Unterscheidung, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, durch die Betrachtung des Beckens treffen konnte, aber worauf genau musste man dabei achten? Er war sich auf einmal nicht mehr sicher.
    »Ein Mann«, sagte er. »Vermutlich sage ich das, weil ich hoffe, dass es einer ist.«
    Martinsson betrachtete ihn fragend.
    »Wieso?«
    »Ich weiß nicht. Aber mir gefällt der Gedanke nicht, dass ich beinahe ein Haus gekauft hätte, wo eine tote Frau im Garten vergraben liegt.«
    Seine Knie knackten, als er sich wieder aufrichtete.
    »Man kann sich fragen, wieso die Hand aus der Erde gekommen
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