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Mord im Herbst: Roman (German Edition)

Mord im Herbst: Roman (German Edition)

Titel: Mord im Herbst: Roman (German Edition)
Autoren: Henning Mankell
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schnell, ein bisschen zu exakt.
    Ich bilde mir etwas ein, dachte Wallander. Ich sehe Gespenster.
    Er kehrte ins Präsidium zurück. In der Kantine saß Linda und trank Kaffee. Er setzte sich zu ihr. Auf einem Teller lagen ein paar Spekulatius, die er aufaß.
    »Wie geht es?«, fragte sie.
    »Gar nicht«, sagte er. »Wir treten auf der Stelle.«
    »Kommst du heute Abend zum Essen nach Hause?«
    »Ich glaube schon.«
    Sie stand auf, um wieder an ihre Arbeit zu gehen. Wallander trank den Becher aus und kehrte in sein Zimmer zurück.
    Der Nachmittag kroch dahin.
     
    Als er nach Hause gehen wollte, klingelte sein Telefon.

24.
     
    Er erkannte die Stimme sofort, bevor sie auch nur ihren Namen genannt hatte. Es war Pia, die junge Frau aus der Anmeldung in Ekudden.
    »Ich wusste nicht, wo ich anrufen sollte«, sagte sie.
    »Was ist passiert?«
    »Ivar ist weg.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Er ist weg. Abgehauen.«
    Wallander setzte sich wieder an den Schreibtisch. Er spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann.
    »Langsam«, sagte er. »Erzählen Sie bitte der Reihe nach. Was ist geschehen?«
    »Er kam vor einer Stunde nicht zum Essen herunter. Da ging ich zu seinem Zimmer. Es war leer. Seine Jacke war weg. Wir haben im Haus und im Garten und unten am Strand nach ihm gesucht. Er war nirgends. Dann kam Miriam und sagte, ihr Auto wäre weg.«
    »Wer ist Miriam?«
    »Meine Kollegin. Sie glaubt, dass Ivar es vielleicht genommen hat.«
    »Warum hätte er das tun sollen?«
    »Sie schließt ihr Auto nie ab. Und Ivar hat oft davon gesprochen, wie gern er früher Auto gefahren ist.«
    »Was ist es für ein Auto?«
    »Ein dunkelblauer Fiat.«
    Wallander notierte es. Dann überlegte er.
    »Sind Sie sicher, dass Ivar nicht doch noch im Haus oder im Garten ist?«
    »Wir haben überall gesucht.«
    »Warum glauben Sie, dass er verschwunden ist?«
    »Ich dachte, Sie könnten es mir erklären.«
    »Ich weiß vielleicht, wo er sich aufhält. Ich bin nicht sicher. Aber möglicherweise habe ich recht. Wenn ich ihn finde, melde ich mich binnen einer Stunde. Wenn ich ihn nicht finde, wird es zu einem Fall für die Polizei. Dann müssen wir uns überlegen, ob wir eine organisierte Suchaktion starten.«
    Wallander beendete das Gespräch. Er saß reglos vor seinem Schreibtisch. Hatte er recht? Hatte die Unruhe, die er zuvor verspürt hatte, ihre Erklärung gefunden?
     
    Er stand auf. Es war 17.35 Uhr. Draußen war es dunkel. Der Wind kam und ging in Böen.

25.
     
    Schon von Weitem konnte Wallander sehen, dass in einem Fenster ein schwaches Licht brannte. Jetzt zweifelte er nicht mehr. Er hatte richtig vermutet. Ivar Pihlak war zu dem Haus zurückgekehrt, in dem er früher mit seinen Eltern gewohnt hatte.
    Wallander fuhr an den Straßenrand und schaltete den Motor ab. Außer dem schwachen Lichtschein, der aus dem Fenster fiel, war es dunkel um ihn her. Er nahm die Taschenlampe, die er unter dem Fahrersitz aufbewahrte, und ging auf das Haus zu. Der Wind peitschte ihm ins Gesicht. Als er das Haus erreichte, sah er, dass im Wohnzimmer zwei Lampen brannten. Ein Küchenfenster war zerschlagen, und jemand hatte den Schließhaken geöffnet. Ivar Pihlak hatte einen Gartenstuhl an die Wand gestellt, sodass er ins Haus klettern konnte. Wallander sah durchs Fenster, aber die Küche war leer. Er beschloss, ebenfalls durch das Fenster ins Haus zu klettern. Er meinte, sich keine Sorgen machen zu müssen. Dort drinnen im Haus war ein alter Mann; ein alter Mann, den sein Schicksal eingeholt hatte.
    Wallander kletterte hinein. Er stand auf dem Küchenboden, ohne sich zu rühren, und horchte. Im gleichen Moment bereute er, allein hergefahren zu sein. Er kramte in der Jackentasche nach seinem Handy, aber ihm fiel ein, dass er es auf den Beifahrersitz gelegt hatte, als er die Taschenlampe hervorgezogen hatte. Er versuchte, einen Beschluss zu fassen. Sollte er im Haus bleiben oder wieder hinausklettern und Martinsson anrufen? Er entschied sich für Letzteres, zwängte sich durchs Fenster hinaus und ging in Richtung seines Wagens.
    Ob es eine instinktive Reaktion war oder ob er ein Geräusch hinter sich gehört hatte, konnte er im Nachhinein nicht mehr sagen. Aber etwas traf ihn im Nacken, bevor er sich umdrehen konnte, und alles wurde dunkel, ehe er noch auf den Boden aufschlug.
     
    Als er wieder zu sich kam, saß er auf einem Stuhl. Seine Schuhe und die Hose waren lehmverschmiert. Sein Kopf dröhnte von einem dumpfen, pochenden Schmerz.
    Vor ihm stand
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