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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel
Autoren: Gisbert Haefs
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Staatsbürger, die Gesetze eigenhändig zu verteidigen, oder?«
    »Nein«, sagte er, »keineswegs.«
    Er wirkte irgendwie unheimlich selbstzufrieden.
    »Was willst du denn dann?« sagte ich. »Dir und mir demonstrieren, daß die Republik so finster ist, wie du immer behauptest, oder was?«
    »Nein«, sagte er, »keineswegs.«
    »Nein, keineswegs, nein, keineswegs«, sagte ich erbost. »Was denn? Was soll der Zirkus?«
    Er kicherte. »Du kannst dich ja richtig echauffieren, Jungchen. Toll! Sag mal: Wenn du einen überfährst ... «
    »Tu ich nur manchmal; ich bin ja nicht du.«
    »Ssst. Also, falls du einen überführest, und du stelltest fest, an deinem Auto seien Kratzer, Dellen, Blutspuren – was tätest du dann?«
    »Waschen.«
    »Damit kriegst du die Kratzer und Dellen nicht weg.«
    »Ich würde«, sagte ich laut, »
mich
waschen und zur Polizei gehen.«
    »Ah, bah. Du kannst nicht zur Polizei gehen. Was machst du?«
    Ich war verstockt. »Nach Rußland emigrieren und Dissidenten überfahren.«
    Baltasar seufzte. Dann sagte er: »Wenn du dieses Totfahren geplant hast, hast du dir auch vorher überlegt, daß du Spuren beseitigen mußt. Ist dir das notfalls dein Auto wert?«
    Ich dachte an meine Rostlaube. »Immer.«
    »Okay. Was hältst du von einem absichtlichen Unfall mit einer plausiblen Ausrede? An einer Stelle, wo solche Unfälle häufiger passieren, die weit genug von dem Ort entfernt ist, an dem du deinen Kumpel überfahren hast?«
    Ich gab ihm zweifach recht. »Erstens ist es möglich. Zweitens werde ich es genau so machen, wenn du mir weiter in dieser Form auf die Erbse gehst.«
    Er lachte. »A propos Erbse«, sagte er. »Ich habe ja ein paar Gründe gehabt, als ich dich diese Umfrage machen ließ, mit den schönen Sätzen von Erbsen auf der Erpeler Ley und so.«
    »Aha«, sagte ich. »Ich finde es ermutigend, von dir zu erfahren, daß meine Tätigkeit nicht gänzlich irrsinnig war. Was hast du dir denn gedacht?«
    »Oh, Verschiedenes. Ich wollte nicht nur die Rechtschreibkenntnisse unserer Mitmenschen testen, obwohl auch dieses ein gräßliches Ergebnis gebracht hat. Ein paar Sachen waren die reine Ablenkung, einige andere nicht. Deine Eindrücke zu Reaktionen auf das Stichwort ›Voyeur‹ waren ja mager genug, aber immerhin. Viel interessanter ist das Stichwort ›Erpresser‹, in dem Erbsensatz.«
    »So, so.« Ich war immer noch ungehalten. »Welche nobelpreisträchtigen linguistischen Erkenntnisse hast du denn daraus gezogen?«
    Er grinste. »Schlechte Laune? Das gibt sich – sieh mal.«
    Er kramte die Fragebögen aus seinem Papierberg und deutete jeweils auf die bestimmten Stellen. »Hier«, sagte er. »Das ist Frau Morken. ›... verprassen sie lieber mit einem Erpresser vom Parnaß‹.«
    Ich bekam schlagartig gute Laune. »Du kannst dich«, sagte ich freundlich, »bei mir bedanken. Ich hab mir natürlich gedacht, daß du mit dem ›Erpresser‹ etwas beabsichtigst. Deswegen habe ich in allen Fällen geschickt diktiert, damit es auch wirkt.«
    »Das«, sagte er, »hatte ich gehofft. Wie hast du diktiert?«
    »Na, ganz einfach: ›... verprassen sie lieber mit einem‹ Pause, dann, wenn die Kandidaten ›einem‹ geschrieben hatten, weiter ›... Erpresser vom Parnaß‹.«
    »Brillant, Watson«, sagte er. »Meine Überlegung war, wie du wohl inzwischen rausgekriegt hast, daß da etwas mit Moneten und Pressionen im Gang war. Also, dachte ich in meinem klugen Kopf, bau dir ein Spiel zusammen, das so glaubwürdig ist, daß sie es wirklich für ein Spiel halten. Dann leg eine Mine an eine Stelle, an der bestimmt niemand mehr eine erwartet, weil alle sich über den Satz amüsieren oder nachzählen, ob sie auch überall genug ›s‹ geschrieben haben. Hier, Frau Morken: der Wortabstand zwischen ›einem‹ und ›Erpresser‹ ist wesentlich größer als zwischen allen anderen Wörtern. Das große E ist verkrakelt, das r völlig verunglückt. Im übrigen hat sie eine saubere, gut ausgeschriebene Schrift.«
    Er blätterte weiter. »Herr Kleinsiepe, Gott hab ihn selig. Eine schlimme Kinderschrift. Komisch, wie viele Erwachsene nie eine ausgeprägte Schrift bekommen.«
    »Besser«, sagte ich, »eine leserliche Kinderschrift als deine Charakterklaue.«
    »Wie?« Er tat empört. »Ich habe eine schöne Schrift!«
    »Ja«, sagte ich, »wenn man einem hinkenden Känguruh Tinte unter die Füße schmiert, sieht das hinterher so aus wie deine Schrift.«
    Er überhörte es. »Kleinsiepe hatte Probleme mit seinen
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