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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Autoren: Colleen McCullough
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getrübt. Eine harmlose Schwäche freilich, wie er den beiden Frauen versicherte. Er fand keinen Geschmack an unschuldigen Knaben, es verlangte ihn nicht, Senatorensöhne zu verführen, die auf den Exerzierplätzen des Campus Martius herumtollten, mit Holzschwertern gegeneinander kämpften und über gepolsterte Attrappen sprangen, die wie richtige Pferde gesattelt waren. Nein, Sulla bevorzugte Lustknaben, professionelle, mit allen Wassern gewaschene Jünglinge, die ihn daran erinnerten, wie er selbst in diesem Alter gewesen war.
    Da aber die Frauen seine Lustknaben verabscheuten, unterdrückte er sein Verlangen um des häuslichen Friedens willen oder gab ihm nur heimlich nach. Bis zum Abend des Vortags, dem letzten des alten Jahres, als sich das Konsulat von Publius Cornelius Scipio Nasica und Lucius Calpurnius Bestia dem Ende zuneigte und die Amtseinführung von Marcus Minucius Rufus und Spurius Postumius Albinus unmittelbar bevorstand. Clitumna und Nikopolis würden den Abend vermutlich als Nacht des Metrobius in Erinnerung behalten.
    Alle drei gingen für ihr Leben gern ins Theater, allerdings nicht in die anspruchsvollen griechischen Stücke von Sophokles, Äschylos und Euripides, in denen maskierte Schauspieler mit tremolierenden Stimmen hochgestochene Verse deklamierten. Nein, ihre Liebe galt der Komödie, den witzigen lateinischen Schwänken von Plautus, Naevius und Terenz und vor allem den derben Possen mit unmaskierten Mimen, die aus dem Stegreif ein volkstümliches Programm mit nackten Dirnen, tollpatschigen Narren, furzenden Trompeten, allerlei grobem Schabernack und unwahrscheinlichen Geschichten darboten. Riesige Gänseblümchen, die aus wackelnden Ärschen ragten, die Bewegung eines Fingers, vielsagender als tausend Worte, Schwiegerväter mit verbundenen Augen, die Brüste mit reifen Melonen verwechselten, tolldreiste Seitensprünge, betrunkene Götter - nichts war der Posse heilig.
    Sie kannten alle Schauspieler und Direktoren der Komödienbühnen Roms, und ein Fest ohne die Anwesenheit zumindest einiger Zelebritäten der Bühne war kein richtiges Fest. Die Tragödie existierte für sie überhaupt nicht, und darin glichen sie den meisten Römern, die immer für einen guten Spaß zu haben waren.
    Zum Neujahrsfest in Clitumnas Haus waren Skylax, Astera, Milo, Pedokles, Daphne und Marsyas eingeladen. Natürlich mußten alle Gäste verkleidet kommen. Clitumna und Nikopolis verkleideten sich leidenschaftlich gern, und Sulla verwandelte sich mit Vorliebe in eine Frau, die er dann so lächerlich darzustellen pflegte, daß die Zuschauer sich köstlich darüber amüsierten.
    Diesmal hatte Sulla sich als Gorgo Medusa verkleidet. Er trug eine Perücke mit lebendigen kleinen Schlangen, die sämtliche Anwesenden entsetzt aufkreischen ließen, wenn er den Kopf wie zum Angriff senkte, und war in fließende Gewänder aus Schappseide gehüllt, die den Gästen nur allzu freizügig den Blick auf seine größte Schlange gewährten. Seine Stiefmutter trat als Äffchen auf. Sie hatte ihren nackten Hintern blau angemalt, hüpfte in einem haarigen Umhang durch das Zimmer und kratzte sich überall. Nikopolis, die Clitumna an Schönheit weit übertraf, hatte ein gemäßigteres Kostüm gewählt, das Kostüm der Diana, der Göttin der Jagd, das ihre langen schlanken Beine und eine ihrer makellosen Brüste zeigte. Tanzend brachte sie die winzigen Pfeile ihres Köchers im Takt der Flöten, Pfeifen, Glocken, Lyren und Trommeln zum Rasseln.
    Das Fest nahm einen schwungvollen Anfang. Sulla mit seinen lebenden Schlangen war zweifellos ein Erfolg, während über Clitumna, das Äffchen, am meisten gelacht wurde. Der Wein floß in Strömen. Schon lange vor Anbruch des neuen Jahres dröhnte das Gelächter und Geschrei der Gäste aus dem Säulengarten hinter dem Haus zu den erbosten Nachbarn hinüber. Als letzter Gast wankte Skylax zur Tür herein. Er trug Sandalen mit hohen Plateausohlen aus Kork und eine goldblonde Perücke, und unter seinem prachtvollen Gewand wölbten sich riesige Brüste. Geschminkt war er wie eine alte Hure. Arme Venus! Im Schlepptau hatte er Metrobius, seinen Cupido.
    Kaum hatte Sullas größte Schlange einen Blick auf ihn geworfen, als sie sich auch schon in Sekundenschnelle aufrichtete, was weder das Äffchen noch die Jägerin Diana sonderlich erfreute und auch die Venus Skylax verdrießlich dreinblicken ließ. Und dann kam es zu einem wilden Durcheinander, das jeder Bühnenposse Ehre gemacht hätte: ein hüpfender
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