Montauk: Eine Erzählung (German Edition)
Scheine, die Münzen, die sie zurückbekommt, ganz genau. Ihr Einkauf ist nicht üppig, ein einziger Sack genügt, er nimmt ihn auf den linken Arm.
MONEY
Der grüne Gas-Automat in der Diele, die Mutter muß immer einen Zwanziger einwerfen, damit am Herd die Flamme kommt, und dann ist das Gasplötzlich wieder weg, und es braucht viele Zwanziger, wenn etwas lang kochen muß; da hilft es nichts, daß der Vater, wenn er spät in der Nacht heimkommt, vielleicht noch einen Zwanziger in der Tasche haben wird. Das städtische Gaswerk gibt uns keinen Kredit. Seit wann weiß ich, was Geld ist? Der grüne Gas-Automat hat mich gelehrt: Was wir uns nicht leisten können, das kommt uns nicht zu. Wenn ich mit einem Mädchen in einem gemieteten Segelboot sitze und der Wind bleibt aus, so daß es mehr als eine Stunde wird, und ich weiß, daß ich diese Flaute nicht bezahlen kann, so ist das nicht Armut, nur peinlich. Ein Velo, ein rotes Rennrad, das beim Händler steht, davon träume ich jahrelang. Ich weiß: Das steht mir nicht zu. Das kann mein Vater nicht kaufen. Oft macht es ihm schon Kummer, wenn ich Lehrbücher kaufen muß, ein Reißzeug. Ich erinnere mich an die stete Angst meiner Mutter vor der Pfändung. Wenn dem Vater aber ein Geschäft gelungen ist, eine Liegenschaftsvermittlung, so mag er nicht bloß Schulden zahlen, er liebt Gesten: eine goldene Brosche für die Mutter! Er versteht sich nicht aufs Sparen, so müssen wir es lernen. Ich erinnere mich an die Sensation, daß man Kaffee machen kann aus Eicheln. Mein Bruder bekommt eine Geige, das finde ich in Ordnung: er ist musikalisch und älter. Es ist der Ehrgeiz von Vater und Mutter, daß wir Akademiker werden, Studium nach eigner Wahl. So werde ich Student der Germanistik; ein liebenswürdiger Professor verschafft mir ein Stipendium, damit ich weiter studieren könne nach dem Tod des Vaters: 800 Franken im Jahr. Ich schreibe über Eishockey, über festliche Umzüge, über Café-Cabaret, über die jungen Schwäne auf der Limmat etc., Honorar nach Zeilenzahl. Für ein erstes großes Honorar von 20 Franken schreibe ich einen Dankesbrief an die Zeitung. Wenn ich den monatlichen Mietzins pünktlich bezahlen kann, so komme ich mir unabhängig vor. Es kommt mir nicht in den Sinn, im Schaufenster lang zu betrachten, was ich mir nicht leisten kann, eine gute Kamera zum Beispiel; keinesfalls wage ich es, einmal in den Laden zu treten und eine solche Kamera in meine Hände zu nehmen. Ich gelange bis Istambul und nach Griechenland, wo ich im Freien übernachte. In Istambul gibt es einen Schweizerklub; wenn mich die Herren fragen, ob ich zu Mittag gegessen habe, lüge ich und sage Ja, dankbar für den schwarzen Kaffee mit viel Zucker. Geld als Tauschmittel; man hat es oder man hat es nicht, im übrigen ist es kein Thema. Was wichtig ist: keine Schulden. Der Vater ist mit Schulden gestorben. Pfändung droht. Mein älterer Bruder, Chemiker und eben verheiratet, übernimmtdie Schuld, die er langsam abstottert, um der Mutter diese Schande zu ersparen. Ich habe nie Schulden gemacht, ausgenommen ein Mal: meine erste Schreibmaschine, REMINGTON PORTABLE , eine Occasion, kostet 150 Franken, ich kann aber nur 50 Franken anzahlen. Ich weiß, daß ich den Rest nie bezahlt habe ... Ich erinnere mich, wann das Geld zum ersten Mal eine große Rolle gespielt hat. Ich habe eine Freundin, eine Welsche, etwas älter als ich; sie verdient ihren Unterhalt durch Privatstunden. Ich bin noch Student und wohne mit der Mutter. Es stört mich nicht, von einer Geliebten eingeladen zu werden. Hin und wieder bringe ich eine Flasche Wein, das Fleisch aber hat sie gekauft. Jemand habe gefunden, sie brauche Erholung, und möchte ihr zu diesem Zweck fünfhundert Franken schenken. Ich habe nichts dagegen, denn es soll ein feiner Mensch sein. Als ich als Soldat wieder einmal auf Urlaub komme, empfängt sie mich nicht mehr. Es sind ihr die Augen aufgegangen, sagt sie, betreffend meine Männlichkeit. Ich verstehe alles nicht. Kurz darauf heiratet sie einen Industriellen. Umgekehrt bin ich lebenslänglich nie auf den Verdacht gekommen, daß ich eine Geliebte gewonnen habe durch Geld; dazu bin ich als Mann zu eitel. Mein erster Lohn als Architekt: 350 Franken im Monat, dann 500 Franken; das reicht auch zu dieser Zeit knapp für eine Familie mit Kind.
August 1943
Einnahmen/Ausgaben
Wettbewerb I. Preis
3000,–
Lohn bei Prof. Dunkel
490,–
für Mama
500,–
Festessen Kollegen
60,–
mit
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