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Monströse Welten 2: Hobbs Land

Monströse Welten 2: Hobbs Land

Titel: Monströse Welten 2: Hobbs Land
Autoren: Sheri S. Tepper
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nicht gerecht wurden.
    Dennoch waren ihre Worte auf einer gewissen Ebene haften geblieben. Später, an einem weit entfernten Ort, würde er sich an Fess und Bitty erinnern, wie er sich vielleicht an eine Geschichte erinnert hätte, die er einmal gelesen hatte oder an einen Film, den er gesehen hatte. Als Maire es ihm erzählte, hörte er jedoch einfach nicht hin.
    * * *
    Ungefähr vier Jahre nachdem Sam China zum erstenmal geküßt hatte, war sie schließlich alt genug für richtige Liebesspiele. Sie war nun sechzehn und hatte nach dem Verständnis der matrilinearen Gesellschaft auf Hobbs Land das Alter für Liebesabenteuer oder Mutterschaft erreicht. Sam war sechsundzwanzig und bereits ein versierter Liebhaber, wobei die einschlägigen Erfahrungen ihm von etlichen willigen Siedlerfrauen vermittelt worden waren. Aber an China Wilm reichte keine heran. Er verehrte sie mit jeder Faser seines Wesens. Schließlich gebar China einen Sohn. Der Junge bekam den Namen Jeopardy Wilm. Im stillen bezeichnete Sam sich als Jeopardy Wilms Vater, aber mit dieser Auffassung stand er allein. Wenn die Leute die Beziehung überhaupt erwähnt hätten, dann würden sie Sam als Jeps Erz tituliert haben, Kurzform für Erzeuger, und selbst dieser Begriff tauchte in der Umgangssprache fast nie auf. Solange eine Frau nicht gerade ein behindertes Kind zur Welt brachte, ging der Erzeuger des Kindes allein die Frau an, und das galt gleichermaßen für Hobbs Land, Phansure, Thyker und selbst für Ahabar, wenn auch nur bedingt.
    Wie auch immer Sams Rolle definiert wurde, er machte China Wilm auch weiterhin intensiv den Hof – und stritt sich genauso heftig mit ihr, bis Mam ihn eines Tages ins Gebet nahm und ihm eröffnete, sein Verhalten gegenüber den Frauen sei ebenso mies wie das des alten Phaed, und er solle das Mädchen in Ruhe lassen.
    »Sie hat geweint«, sagte Maire. »Und es war nicht das erste Mal. Als ich sie nach dem Grund fragte, sagte sie, es wäre wegen dir, Sam. Sie wüßte nicht, was du von ihr wolltest! Ich habe sie ›im Club willkommen geheißen‹, denn dieses Problem hatte ich mit dir auch. Nur daß du mir wenigstens jetzt nicht mehr auf die Nerven gehst! Akzeptiere sie so, wie sie ist, oder laß sie zufrieden. Wir sind hier nicht auf Voorstod, wo du sie fertigmachen und dann schlagen kannst, weil sie weint. Du bist hier auf Hobbs Land und hast dich anständig zu verhalten!«
    Er ignorierte ihre Einlassungen bezüglich Voorstod, wie er auch bisher alles ignoriert hatte, was sie über Voorstod gesagt hatte. Den Rest indes nahm er sich sehr wohl zu Herzen. Er hatte nämlich noch gar nicht bemerkt, wie anstrengend er war. Es war nur so, daß er sich China Wilm so verbunden fühlte, als ob sie ein Teil von ihm wäre und ihm helfen konnte, sich selbst zu erkennen. Er wollte, daß sie ihm sagte, was er wissen mußte – die Zugehörigkeit zu einem Ort, die Sehnsucht nach einem Ort. Manchmal kam ihm Hobbs Land prickelnd und herb vor, wie neuer Wein, der den Gaumen kitzelte, und dann wieder fade und schal, als ob er abgestandenes Bier getrunken hätte. Er hatte geglaubt, daß nach der Zeugung eines Kindes die Verbundenheit zu China und dem Land wachsen würde, aber das hatte sich als Irrtum erwiesen. China Wilms Sohn war derart fest in den Wilm-Clan integriert, daß Sam Girat einen Verlust spürte und sich sogar als Außenseiter fühlte.
    Das alles stand in einem gewissen Zusammenhang mit den Legenden, die Mam zurückgelassen hatte, und mit seinem Vater auf Voorstod. In der Abgeschiedenheit des Bruderhauses stieß er einen stummen Schrei aus und bearbeitete in einem Wutausbruch, der einem Dreijährigen zur Ehre gereicht hätte, mit den Fäusten die Wand. Maire mochte die Legenden vielleicht verdrängt haben, aber in Sam lebten sie weiter! Und selbst wenn er sein Verhalten China gegenüber änderte, würde er Jep dennoch nicht im Stich lassen, ungeachtet des Brauchtums. Er würde eine Möglichkeit finden, die Sympathie des Jungen zu gewinnen!
    Ganz beiläufig suchte Sam in den Archiven nach Kindergeschichten. Er spielte mit dem Gedanken, Geschichtenerzähler zu werden, ein unverfängliches Hobby, das ihm Kontakt zu den Kindern ermöglichte, ohne jemanden zu kompromittieren. Die Archive führten indes keine Kataloge mit Kindergeschichten. Was die eine Kultur als pädagogisch wertvoll betrachtete, wurde von der anderen tabuisiert. In den Archiven fand sich nur die allgemeine Rubrik ›Geschichten‹, die das ganze Spektrum von Epen und
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