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Monströs (German Edition)

Monströs (German Edition)

Titel: Monströs (German Edition)
Autoren: Chris Karlden
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Abschiedsbrief, den ich dir aushändigen sollte, habe ich verbrannt.«
    Martin wurde nicht ohnmächtig. Zu seinen äußerlichen Wunden kam nun ein weiterer innerer Schmerz hinzu, der nicht minder schlimm war. Er hatte sich so oft gefragt, warum Anna ihm keinen Brief zum Abschied hinterlassen hatte. Sein Herz schien vor Kummer stehen bleiben zu wollen. Er schluchzte wie ein kleines Kind.
    »Glaubst du es war ein Zufall, dass ich den gestrigen Tag für meinen Plan ausgesucht habe, ihren Todestag?«
    »Mein Gott«, entfuhr es Martin. »Wie konntest du das nur tun? Sie hat dir vertraut. Sie dachte, du wärst ihre Freundin und du könntest sie verstehen.«
    Selma lachte ungerührt.
    »Siehst du es denn nicht? Es ist so einfach. Ich war ihre Freundin, ich bin es immer gewesen und deshalb habe ich ihr geholfen, dieses Leben loszulassen. Ich habe darüber nachgedacht. Der Tod war das Beste für sie. Er war ihre Erlösung. Gleichzeitig bewirkte ihr Tod noch etwas anderes. Er fügte dir, Martin, unsägliches Leid zu. So hast du gespürt, was ich beim Verlust meines Mannes gespürt habe. Du musstest dich fragen, ob du es hättest verhindern können, ob du wirklich alles gegeben hast, um es zu verhindern, ob du es hättest erkennen müssen. Mit Annas Tod begann meine Rache an dir.«
    Martin senkte den Kopf auf die Brust und schloss die Augen. Er atmete schwer. All das, was er bisher für Schicksal gehalten hatte, erwies sich nun als ein heimtückischer Plan einer verletzten Seele. Die Erkenntnis stieß ihm heiß wie ein glühendes Eisen in die Eingeweide. Tränen rannen über seine Wangen. Dann hob er den Kopf und diesmal, gelang es ihm zu schreien.
    Selma fuhr indessen fort.
    »Ich war jahrelang in der Psychotherapie und sie hat rein gar nichts bewirkt. Nicht, dass ich Dr. Hörschler für einen Nichtskönner halte. Er gibt weiter, was man ihm im Studium beigebracht hat. Aber im Grunde genommen wissen wir nicht viel über das menschliche Gehirn. Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen, aber bei mir hat es nicht funktioniert. Immer wieder sollte ich mich mit meinem Trauma konfrontieren, um es irgendwann zu verarbeiten, abzuhaken, sozusagen. Aber je länger ich auf der Couch lag und darüber sprach, desto größer wurde mein Hass. Der Mörder meines Mannes lief frei herum, während ich alles verloren hatte. Mein Leben war zu Ende. Alles, was es ausgemacht hatte, war zerstört. Die ganze Therapie hat mir nur immer wieder klar gemacht, dass ich nicht vergessen wollte, ich wollte nichts abhaken und weitermachen. Ich fing an, in Gedanken die Menschen zu töten, die für mein Unglück verantwortlich waren und ich empfand Erleichterung, sie in dem Film, der sich dabei in meinem Kopf abspielte, sterben zu sehen. Dann traf ich Anna. Das konnte kein Zufall sein. Es war göttliche Fügung.«
    Martin versuchte, seinen Hass auf die Frau vor ihm, die Frau, die ihm Anna genommen hatte, zu verdrängen. Er schaffte es, weil er an Paul dachte. Er musste weiter machen.
    »Zurbriggen und der Koch hatten mit dem Mord an deinem Mann nichts zu tun.«
    Selma lächelte kalt.
    »Meier war ein Kollateralschaden. Sein Tod war nicht gewollt, aber unvermeidbar. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort. Bei Zurbriggen habe ich es genossen, ihm seinen kranken Kopf abzuschlagen. Er war ein Teufel. Er hatte es schon lange verdient, zu sterben.«
    Martin war verblüfft über die Nüchternheit, mit der Selma über ihre Bluttaten sprach. Es war, als beschriebe sie etwas aus der Distanz, ohne das Geringste damit zu tun zu haben.
    »Die letzte Nacht ist chaotisch verlaufen. Ich glaube nicht, dass du alles geplant hast«, stieß Martin hervor. Die Schmerzen in seinem gewürgten Hals wurden mit jedem Wort unerträglicher. Er konnte nur noch leise sprechen.
    Selma legte den Kopf erneut schief und schaute ihn merkwürdig an. Ihre Augen hatten diesen speziellen Touch, wie ihn nur Verrückte hatten.
    »Alles kann man eben nicht planen. Meiers Tod konnte ich nicht verhindern. Aber das meiste lief genauso, wie ich es mir ausgedacht habe. Ihr wart alle meine Marionetten für eine Nacht. Es war meine Vorstellung. Das Beste ist, wenn ich dich jetzt gleich töte, wenn ich dir gleich die Luft zum Atmen nehme, dann fällt überhaupt kein Verdacht auf mich. Eddie Kaltenbach ist der verrückte Killer und ich bin die mutige Heldin, die ihn bei dem Versuch, dich zu retten zur Strecke gebracht hat.«
    Martin schauderte bei dem Gedanken, aber sie hatte Recht. Es gab keine
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