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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
Autoren: Julia Stagg
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Briefumschlag erblickte. Er griff danach, öffnete ihn und zog das Schreiben daraus hervor.
    »Was ist denn das?«, fragte Christian, der die Insignien des Rathauses auf dem Briefkopf sah, als er sich gegenüber von Paul auf einen Hocker an die Bar setzte. »Ein Brief vom Bürgermeister?«
    Paul nickte, konzentrierte sich darauf, die Worte zu verstehen. Dann stieß er einen leisen Pfiff aus und reichte Christian das Schreiben zum Lesen hinüber. Als der fertig war, blickte er Paul mit einer hochgezogenen Augenbraue an.
    »Wann hast du den bekommen?«
    »Monsieur Souquet hat ihn Lorna vorhin gegeben. Aber schau.« Paul zeigte auf das Datum in der rechten oberen Ecke, und Christian nickte.
    »Ja. Das ist der Brief, auf den sich der Bürgermeister in seiner Mitteilung letzte Woche bezogen hat. Aber warum habt ihr den nicht schon am Fünfzehnten bekommen?«
    »Monsieur Souquet hat ihn vielleicht zurückbehalten? Mit Absicht? Wer weiß? Aber das ändert alles. Ich erzähle das sofort Lorna.«
    Christian drehte sein Bierglas in den Händen, während er über den Inhalt des Schreibens grübelte.
    »Ich würde zu gern wissen, was du gerade denkst«, krächzte Annies raue Stimme in sein Ohr und ließ ihn zusammenzucken.
    »Oh nein, das würdest du bestimmt nicht«, erwiderte er und erklärte ihr, was er gerade erfahren hatte.
    »Also hat der Bürgermeister die Schließung der Auberge am fünfzehnten Januar aufgehoben, und Pascal hat ihnen den Brief nicht gegeben?«, fragte Annie ungläubig.
    »Scheint so.«
    »Also hätten sie schon die ganze Zeit über öffnen können? Und die Prüfung war gar nicht notwendig.«
    »Sieht ganz so aus.«
    »Du wirkst aber nicht sehr überzeugt.«
    Christian blickte zynisch drein. »Es passt einfach zu gut.«
    »Inwiefern?«
    »Na ja, der Bürgermeister ändert angeblich seine Meinung und entscheidet sich, die Schließung aufzuheben, und ordnet dann die zweite Prüfung an. Unterdessen vergisst Pascal, Paul und Lorna das Schreiben zukommen zu lassen, beziehungsweise enthält ihnen den Brief ganz bewusst vor. So oder so, nun trägt Pascal die Schuld, und der Bürgermeister ist mal wieder fein raus.« Christian zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck von seinem Bier. »Wie schon gesagt, das Ganze fügt sich alles zu gut.«
    »Wirst du etwas sagen?«, fragte Annie, die beobachtete, wie Paul Stephanie den Brief zeigte, worauf diese Pascal lauthals verfluchte.
    »Ich kann nichts beweisen. Und im Übrigen glaube ich, dass er am Ende die Interessen der Gemeinde im Sinn hatte.«
    Annie schnaubte.
    »Ich würde allerdings zu gern wissen, was ihn dazu gebracht hat, seine Meinung zu ändern«, sinnierte Christian. Doch Annie, die vermutete, dass der Grund eher ein »Wer« als ein »Was« gewesen war, schwieg. »Wie auch immer, jetzt sollte ich wohl lieber mal deine Tochter retten«, sagte er und neigte den Kopf zur hinteren Ecke des Raums, wo Major Gaillard großes Interesse an Véronique zeigte, die als Überlebende eines Brandes zweifellos einen gewissen Reiz auf ihn ausübte.
    »Auf mich macht sie nicht den Eindruck, als ob sie gerettet werden wollte!«, witzelte Annie, als sie den Müllbeutel zu ihren Füßen aufhob und zur Tür hinausmarschierte.
    »Genau da liegt ja das Problem«, murmelte Christian.
    Froh, draußen an der frischen Luft zu sein, nachdem sie den ganzen Morgen drinnen verbracht hatte, trödelte Annie ein wenig, während sie den Müll zum Abfallbehälter brachte. Sie sah zu, wie der Fluss vorbeibrauste, betrachtete die Wirbel und Strudel, als das Wasser über das Wehr stürzte und Richtung St. Girons floss. Sie wollte gerade wieder hineingehen, als sie einen kleinen silbernen Peugeot die Straße hinaufkommen sah, der den Eindruck erweckte, als habe der Fahrer einen über den Durst getrunken und gebe sich große Mühe, vorsichtig zu fahren, um das zu kompensieren.
    Es war Serge Papon.
    Er hielt neben ihr und kurbelte dabei das Fenster herunter. Sie musste ihn gar nicht fragen. Ein Blick in sein Gesicht reichte aus.
    Thérèse Papon war tot.
    »Haben sie die Prüfung geschafft?«, fragte er und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie aufgewühlt er war.
    »Ja.«
    Er nickte und machte Anstalten, davonzufahren, aber Annie legte eine Hand auf seinen Arm.
    »Fahr nicht, Serge«, sagte sie leise. »Wir wissen um Thérèse. Du solltest jetzt nicht allein sein.«
    Als er den Gang einlegte, war sie davon überzeugt, dass er sie ignorieren würde, aber stattdessen stellte er den
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