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Mörderischer Auftritt

Mörderischer Auftritt

Titel: Mörderischer Auftritt
Autoren: Anne George
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Gang entlangrannte. Welcher Weg führte zur Straße? Was, wenn die Türen verschlossen waren?
    Er ging zu Dusk hinüber und ließ seine Hand liebevoll ihren Arm hinuntergleiten. »So schön.« Sie rührte sich nicht.
    »Sie hasst Sie, wissen Sie«, sagte Schwesterherz. »Sie hat uns erzählt, dass ihr ganz schlecht wird, wenn Sie sie berühren.«
    Mr Taylor wandte sich mit verkniffenem Gesicht zu meiner Schwester.
    »Sie sind nicht das Phantom der Oper«, fuhr sie fort. »Sie sind nichts als der Ersatzorganist im Alabama Theatre.«
    »Halten Sie den Mund, Sie Idiotin.«
    »Wie haben Sie mich genannt?«, fragte Schwesterherz.
    »Eine Idiotin. Idiotin, Idiotin, Idiotin.« Bei jeder »Idiotin« machte er einen Schritt vorwärts, bis er direkt vor ihr stand.
    »Yaaa!«, stieß Schwesterherz einen Kampfschrei aus, während ihr Fuß nach oben schnellte und Mr Taylor den härtesten Tritt, den ich je gesehen habe, zwischen die Beine versetzte. Er fiel wie ein Sack Kartoffeln zu Boden, und schon war sie über ihm und zog die Pistole aus seiner Tasche. »Ich hoffe, ich habe sie dir zerquetscht, du Scheißkerl. Ich hoffe, dass du sie nie wieder benutzen wirst.«
    So wie er aussah, standen die Chancen gut, dass sich ihr Wunsch erfüllen würde. In Embryonalstellung würgte er in den orientalischen Teppich.
    Dusk wachte auf. »Was?«, fragte sie.
    Aber Mary Alice war gerade dabei, mir das Klebeband abzumachen und mir zu sagen, ich sollte eiligst rennen, um Hilfe zu holen. »Sag ihnen, sie sollen irgendetwas mitbringen, um die Falltür zu verbreitern. Keine Chance, dass ich hier rauskomme.«
    »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du dich losgemacht hast, und wie hast du das überhaupt angestellt?«, fragte ich.
    »Weil du schuldbewusst dreingeschaut hättest. Und ich bin nur vorwärts und rückwärts geschaukelt, um das Band zu dehnen.«
    Als ich die Stufen hinaufeilte, war sie gerade dabei, mit dem Band, das an mir geklebt hatte, Mr Taylor zu fesseln. Ich glaube, ich war noch nie in meinem Leben so stolz auf jemanden gewesen.
    »Sie hat sich dünn gedacht?«
    Fred und ich hatten gerade die Elf-Uhr-Nachrichten ausgeschaltet, in denen wir gesehen hatten, wie Sanitäter Mr Taylor aus dem Alabama Theatre trugen. Er war in eineDecke gewickelt, als sie ihn rausbrachten, aber man konnte sehen, dass er selbst auf der Bahre noch in Embryonalstellung verharrte.
    Ich dämmerte an Freds Schulter. Wir lagen aneinandergekuschelt im Bett. Er mochte Tiffany heiraten, wenn ich einmal nicht mehr war, aber verdammt noch mal, ich würde ihr etwas hinterlassen, was sich lohnte.
    »Sie sagt, sie habe das in einem Kurs über östliche Philosophie gelernt. Man stellt sich vor, ein silberner Lichtstrahl zu sein, eine blaue Flamme oder etwas Ähnliches, und man kann direkt durch die Dinge hindurchgleiten.«
    »Ich glaube nicht ein Wort davon«, sagte Fred. »Ich bin mir sicher, dass Mr Taylor sie durch die Falltür gestoßen hat.«
    »Aber sie war dennoch großartig. Hat sich aus dem Band gekämpft und kein Wort gesagt. Und ich hatte keine Ahnung.«
    Wir lagen eine Weile ruhig da. Draußen war der Märzwind aufgefrischt, und an den Jalousien tanzten die Schatten. Ich war kurz vor dem Einschlafen, als Fred sagte: »Weißt du, Liebling, so fest hätte sie ihn nicht treten müssen.«
    Ich lächelte. Und dann sank ich in den Schlaf.

20
    Der vierzehnte Mai war ein perfekter Tag, jedenfalls vom Wetter her. Eine späte Kaltfront war an Alabama vorbeigezogen, und die Temperaturen lagen über zwanzig Grad bei einer leichten Brise. Die alte Bauernkirche im Tannehill State Park ist schlicht ein großer rechteckiger Raum mit Bänken, einem Mittelgang und Fenstern auf beiden Seiten. Vorn gibt es ein kleines Podest, auf dem der Geistliche steht. Keine Garderoben, keine Toiletten. Aber der Park erlebt gerade eine Restaurierung. Dort stand das erste Stahlwerk im Staat, gebaut im frühen 19. Jahrhundert. Mit den Yankees hatte sich dies dann erledigt. Aber irgendjemand hatte die Idee gehabt, ein paar authentische Hütten von achtzehnhundertsonstwas in den Park zu versetzen, damit wir nachvollziehen konnten, wie unsere Vorfahren gelebt hatten (sie hatten nicht besonders gut gelebt). Und häufig finden in den Wäldern des Tannehill Parks auch historische Nachstellungen des Krieges statt.
    Am Hochzeitstag meiner Schwester gab es zum Glück kein derartiges Spektakel, denn die Soldaten pflegen gern lautes Rebellengeschrei von sich zu geben. Aber irgendwie hatte sie es
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