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Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Titel: Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)
Autoren: Klaus Bittermann
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Der Baumarktmitarbeiter zeigt mit dem Finger auf den Farbtopf, auf dem ziemlich groß steht: »Für Innen und Außen.«
    Mit dem Topf schlendere ich in die Blumenabteilung. Der Topf fällt auf den Boden, der Deckel springt ab und der weiße Inhalt breitet sich als kleiner zäher See aus. Zuerst setzt mein Fluchtreflex ein, aber dann denke ich, dass mich jede Menge Überwachungskameras überführen würden. Also mache ich zerknirscht einen Baumarktmitarbeiter auf die große Farblache aufmerksam.
    »Was ist das denn für ne Scheiße. Nein, das halt ick nicht aus«, brüllt der. Ich frage vorsichtig und zerknirscht, ob ich vielleicht irgend etwas tun könne. »Nein, bloß nicht!«, ruft er erschrocken, aber auch sehr abweisend. Ich glaube, für heute lasse ich mein Ding sein und konzentriere mich lieber auf den Kasten Bier.

Nie wieder Schokoladeneis
    Alle sind auf den Beinen, einschließlich Italien, Amerika und Spanien. Und ein paar nordische Länder höre ich auch heraus. Wahrscheinlich Schweden. Sie belagern die Eisdiele an der Ecke. Die Schlange geht einmal um den Block und beißt sich dann in den Schwanz.
    Fup und ich sind schlau. Wir setzen uns im Freien an einen freien Tisch. Ganz im Sinne von Fup bestelle ich eine Kugel Schokoladeneis im Becher, auf den ich ihn konditioniert habe. Am Nebentisch mäkelt ein etwa dreijähriger Junge an seinem Erdbeereis in der Schale herum. Er will jetzt auch lieber Schokoladeneis. Seine Mutter sagt, er solle sein Eis aufessen, sonst würde sie »nie wieder« mit ihm Eis essen gehen. Der Junge will trotzdem Schokoladeneis, und das sofort. Er lässt das Erdbeereis stehen.
    Die Mutter geht in die Eisdiele, holt eine Waffel, löffelt das vor sich hinschmelzende Erdbeereis in die Waffel und trägt es dem Jungen hinterher, aber der sagt nur: »Ich will ein Schokoladeneis«, worauf sie antwortet: »Du kriegst kein Schokoladeneis. Nie wieder gehe ich mit dir Eis essen. Das war das letzte Mal.« Dieser Dialog wiederholt sich ungefähr dreißig Mal, und jedes Mal wird er hysterischer und lauter, bis ihn alle auswendig können. Auch die Ausländer.
    Vielleicht kann Bushido einen Rap-Song daraus machen, denke ich, damit das Drama nicht umsonst war. Und intellektuell würde der Text ihn auch nicht überfordern.
    Schließlich packt die Mutter ihren zappelnden Sohn unter den Arm und quetscht sich durch die Gartenstühle. »Nie wieder!«, kreischt sie. Ich glaube, die Frau hat dem Ansehen Deutschlands im Ausland geschadet.
    Fup ist der Einzige, den diese Szene kalt lässt. Er schaufelt konzentriert sein Schokoladeneis in sich hinein. Als er fertig ist, hält er mir den Becher entgegen und sagt »Mehr!« Das ist das einzige Wort, das er sprechen kann, außer »Allo«. Das ist Französisch und heißt »Hallo«.
    Ich sage: »Du kriegst nie wieder ein Schokoladeneis!« Die Leute glucksen. Auch Fup findet das lustig. Gut, dass er noch nicht alles versteht.

IKEA-Vorhang
    Die Eisdiele ist am Wochenende ein Auffanglager für eine ganze Armee zermürbter Eltern, die ihren Kindern in Form von Eis ihren Tribut zollen. Ich sitze auf einer Bank, um mich herum quäkt und kräht es, nur direkt neben mir ist es sehr still, und wenn nicht ab und zu ein schmatzendes Geräusch zu vernehmen wäre, könnte ich glatt vergessen, dass neben mir Fup in sein Eis vertieft ist und es sich mit überraschender Geschwindigkeit in den Mund schaufelt.
    Ich starre abwesend auf die besiegte Armee und beobachte trantütig einen Mann um die 50 mit langen angegrauten Haaren und dichtem grauen Bart und Unterschichtstrainingsanzug. Ein bisschen aus dem letzten Jahrhundert, denke ich, sowohl ästhetisch als auch inhaltlich, denn er gibt breitbeinig laute Mach-dies-mach-das-Anweisungen an eine Frau, die sich hinter mir befindet und Kindern hinterherrennt. Ich bin so fasziniert von dem Mann auf dem Kommandoposten, dass ich mich gar nicht nach dem herumgescheuchten Objekt umsehe.
    Wahrscheinlich verdichten sich gerade meine vor sich hinmäandernden Gedanken zu einem undifferenzierten Urteil, irgend etwas in der Richtung wie: Da hat die Frauenbewegung aber noch viel zu tun.
    Dann schiebt sich das herumgescheuchte Objekt doch noch in mein Blickfeld und nimmt meine Aufmerksamkeit in Beschlag. Ich denke, der Mann hat jetzt aber auch nicht wirklich das große Los gezogen. Mir fällt ein kleiner Reim von FW Bernstein ein: »Zwischen Hosensaum und Sockenrand herrscht erotisch ödes Land.« Natürlich trägt die Frau weder das eine noch das
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