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Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
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umzugehen. Aber das war für die meisten Frauen nebensächlich, sie interessierten sich mehr für das Aussehen eines Mannes.
    Sie bemühte sich, ihn objektiv zu sehen. Er war verteufelt attraktiv, keine Frage. Seine Haare hatten die Farbe reifer Weizenähren und fielen ihm leicht gewellt über den Hemdkragen. Als er sich zu Dora umdrehte, hob sich sein scharf geschnittenes Profil vor dem blauen Himmel ab. Wie das eines heidnischen Kriegers – hohe Stirn, gerade Nase und energische Wangenpartie.
    »… dann schob Sugar Plum das Himbeerbonbon mit der Nase weg und nahm sich stattdessen eins mit Zitronengeschmack. Ist das nicht drollig?«
    Möpse und Himbeerbonbons. Die Frau war eine echte Zumutung. Kit seufzte vernehmlich.
    Cain warf ihr einen schiefen Seitenblick zu. »Ist irgendwas?«
    Kit wollte gewiss nicht unhöflich sein. »Ich halt nicht viel von Möpsen.«
    Um Cains Mundwinkel zuckte es verräterisch. »Wie meinst du das?«
    »Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören?«
    »Ich bitte darum.«
    Kit warf einen verächtlichen Blick auf Doras Rücken. »Möpse sind affige Schoßhündchen.«
    Cain schmunzelte.
    »Dieser Junge ist einfach impertinent!«
    Cain ignorierte Dora. »Du hast es mehr mit Promenadenmischungen, was, Kit? Mir ist aufgefallen, dass du oft mit Merlin zusammen bist.«
    »Merlin ist mit mir zusammen und nicht umgekehrt. Ist mir auch egal, was Magnus sagt. Dieser Hund ist so nutzlos wie ein Korsett im Freudenhaus.«
    »Baron!«
    Cain entwich ein gedämpftes Krächzen, bevor er sich wieder fasste. »Ich darf dich daran erinnern, dass wir in Begleitung einer Dame sind.«
    »Jaaa Sssir«, zischte Kit nicht unbedingt einsichtig. Die Dame konnte ja weghören, wenn ihr das Gespräch nicht passte.
    »Der Junge kennt seine Grenzen nicht«, tadelte Dora. »Ich würde einen Diener rigoros vor die Tür setzen, wenn er sich derart skandalös benähme.«
    »Schätze, dann hat er Glück, dass er für mich arbeitet.«
    Er hatte leise gesprochen, gleichwohl verstand Dora den Seitenhieb und errötete.
    Sie näherten sich dem See, und Cain straffte die Zügel. »Mein Stalljunge ist kein gewöhnlicher Diener«, fuhr er in beiläufigem Ton fort. »Er ist ein Anhänger von Ralph Waldo Emerson.«
    Kit blickte von einem Schwanenpaar, das zwischen den Booten glitt, zu ihm. Ob er sich nur lustig über sie machte? Anscheinend nicht. Stattdessen legte er einen Arm über die lederne Sitzbank und drehte den Kopf zu ihr nach hinten. »Ach, übrigens, liest du auch noch andere Schriftsteller außer Mr. Emerson, Kit?«
    Doras ärgerliches Aufseufzen brachte Kit so richtig in Fahrt. »Oh, ich lese alles, was ich in die Finger kriege. Ben Franklin, natürlich, aber den lesen ja auch fast alle. Thoreau, Jonathan Swift. Edgar Allan Poe, wenn ich in der entsprechenden Stimmung bin. Ich hab’s nicht so mit den Dichtern, aber sonst les ich eigentlich alles.«
    »Verstehe. Vielleicht hast du die wahren Dichter nur noch nicht gelesen. Wie Walt Whitman beispielsweise.«
    »Nie von dem gehört.«
    »Er stammt aus New York. Hat während des Krieges im Lazarett gearbeitet.«
    »Schätze, von einem Yankee-Dichter wird mir schlecht.«
    Cains Augenbrauen zuckten belustigt. »Du enttäuschst
mich, Kit. Ein Intellektueller wie du darf doch keine Vorurteile haben, wenn es um große Literatur geht.«
    Er zog sie gnadenlos auf, und Kit sträubten sich sämtliche Nackenhaare. »Erstaunlich, dass Sie überhaupt einen Autorennamen kennen, Major. Sie sehen mir nämlich nicht so aus, als würden Sie viel lesen. Schätze, das ist bei Männern wie Ihnen so. Da steckt mehr in den Muskeln als im Hirn.«
    »Eine bodenlose Frechheit!« Dora warf Cain einen »Hab ich dir ja gleich gesagt«-Blick zu.
    Cain ging schweigend darüber hinweg und fixierte Kit. Der Junge hatte Nerven, das musste man ihm lassen. Er war höchstens dreizehn, also in demselben Alter, in dem Cain getürmt war. Aber aufgrund seiner Größe hatte er zu dem Zeitpunkt bereits ziemlich erwachsen gewirkt, Kit dagegen war klein, vielleicht einen knappen Meter sechzig.
    Unter dem Schmutz gewahrte der Major die fein geschnittenen Züge des Jungen: das herzförmige Gesichtsoval, die kleine Nase mit dem leichten Aufwärtsschwung und die dicht bewimperten, tiefblauen Augen mit dem faszinierend violetten Schimmer. Augen, die eine Frau zu einer Schönheit machten, die aber bei einem Jungen befremdlich anmuteten – und erst recht bei einem erwachsenen Mann.
    Kit hielt seinem kritischen Blick stand, wie
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