Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
bemühten, die ersten zu sein, die Väter eines wirklich denkenden elektronischen Verstandes wurden. Sonne war nicht Amok gelaufen; sie hatte nur gehorcht, wie es alle Computer taten.
    Sam wandelte Shakespeare ab, als er dachte: >Die Schuld liegt nicht bei unserer Technologie, sondern bei uns selbst. <
    Heutzutage gaben die Menschen jedoch den Computern die Schuld an Versagern im System - so wie vor Jahrhunderten Angehörige weniger weit entwickelter Kulturen ihr Versagen auf die Sterne geschoben hatten.
    Tessa deutete stumm auf eine andere Schlagzeile:
    GEHEIME EXPERIMENTE DES PENTAGON URSACHE GEHEIMNISVOLLER KATASTROPHE
    Das Pentagon war in gewissen Kreisen der bevorzugte Schwarze Mann, es wurde ob seines wahren und erdichteten Bösen beinahe geliebt, weil das Leben leichter zu verstehen war, wenn man glaubte, daß es die Wurzel allen Übels war. Für jene, die so dachten, war das Pentagon beinahe das stapfende alte Ungeheuer Frankensteins mit seinen klobigen Schuhen und dem zu kleinen Anzug, furchteinflößend, aber begreifbar, pervers und verabscheuungswürdig, aber dennoch tröstlich vorhersehbar und den Gedanken an schlimmere und komplexere Feinde durchaus vorzuziehen.
    Chrissie zog eine seltene Sondernummer eines der führenden nationalen Regenbogenblätter aus dem Regal, das nur Artikel über Moonlight Cove enthielt. Sie zeigte ihnen die größte Schlagzeile:
    AUSSERIRDISCHE LANDEN
    AN DER KÜSTE KALIFORNIENS
    WILDE FLEISCHFRESSER ÜBERFALLEN GANZE ST ADT
    Sie sahen einander einen Moment ernst an, dann lächelten sie. Chrissie lachte zum ersten Mal seit ein paar Tagen wie der. Es war kein herzliches Lachen, nur ein Kichern, und es hätte eine Spur Ironie darin sein können, die zu scharf für ein elfjähriges Mädchen war, ganz zu schweigen von einer Spur Melancholie, aber es war ein Lachen. Als er sie lachen hörte, fühlte Sam sich besser.

40
    Joel Ganowicz von United Press International war seit Mittwoch vormittag am Stadtrand von Moonlight Cove an der einen oder anderen Straßensperre. Er hauste in einem Schlafsack auf dem Boden, benützte den Wald als Toilette und bezahlte einen arbeitslosen Zimmermann aus Aberdeen Wells dafür, daß er ihm Mahlzeiten brachte. Er war noch nie in seinem Leben so heiß auf eine Story gewesen und hatte soviel dafür geopfert. Und er war nicht sicher, warum. Ja, zugegeben, es war die größte Story des Jahrzehnts, vielleicht sogar noch größer. Aber warum verspürte er dieses Bedürfnis, hier herumzuhängen und jeden winzigen Teil der Wahrheit zu erfahren? Warum war er so besessen? Sein Verhalten war ihm ein Rätsel.
    Er war nicht der einzige Besessene.
    Die Story von Moonlight Cove war im Verlauf von drei Tagen stückweise an die Medien weitergegeben und am Donnerstag abend während einer vierstündigen Pressekonferenz in allen Einzelheiten dargelegt worden, und die Reporter hatten viele der zweihundert Überlebenden ausgiebig interviewt, aber dennoch hatte keiner genug. Der einzigartige Schrecken des Todes der Opfer - und die Anzahl, fast dreitausend, ein Vielfaches der Opfer von Jonestown - verblüffte Zeitungsleser und Fernsehzuschauer immer wieder, so oft sie die Einzelheiten auch hörten. Freitag morgen war die Story heißer denn je.
    Aber Joel spürte, daß es nicht einmal die grimmigen Einzelheiten oder die spektakulären Statistiken waren, die das öffentliche Interesse wachhielten. Es war mehr als das.
    Freitag morgen um zehn Uhr saß Joel auf dem zusammengerollten Schlafsack auf einem Acker an der Landstraße, zehn Meter vom Polizei-Checkpoint nördlich der Holliwell entfernt, genoß den überraschend warmen Oktobermorgen und dachte eben über das alles nach. Er kam allmählich zu der Überzeugung, daß diese Nachrichten vielleicht so begie rig aufgenommen wurden, weil sie nicht nur vom vergleichsweise modernen Konflikt zwischen Mensch und Maschine handelten, sondern vom seit urdenklichen Zeiten bestehenden, ewigen menschlichen Konflikt zwischen Verantwortung und Verantwortungslosigkeit, zwischen Zivilisation und Wildheit, zwischen menschlichen Neigungen zu Glauben und Nihilismus.
    Joel dachte immer noch darüber nach, als er aufstand und zu laufen anfing. Irgendwo unterwegs hörte er auf zu denken, schritt aber schneller aus.
    Er war nicht allein. Andere von der Straßensperre, gut die Hälfte der zweihundert, die hier warteten, drehten sich fast gleichzeitig um und schritten zielstrebig über die Felder, sie zögerten nicht und machten keine Umwege, sondern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher