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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht
Autoren: Dean R. Koontz
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eilen, in ihre Richtung. Es war geduckt und schnell, etwa so groß wie ein Mensch, lief aber auf allen vieren - jedenfalls beinahe - und verkürzte die Entfernung von zwanzig Metern zu sehends. Dahinter sah sie eine weitere, gleichermaßen bizarre, aber etwas kleinere Gestalt. Obwohl sich beide Gestalten vor dem Licht vom Haus abzeichneten, konnte Chrissie wenig mehr als die Umrisse erkennen, aber sie wußte, was sie waren. Nein, das mußte sie verbessern; sie wußte, wer sie wahrscheinlich waren, aber sie wußte immer noch nicht, was sie waren, obwohl sie sie heute morgen oben im Flur gesehen hatte; sie wußte, was sie gewesen waren - Menschen wie sie selbst -, aber nicht, was aus ih nen geworden war.
    »Lauf, Godiva, lauf!«
    Obwohl Chrissie keine Reitpeitsche knallen lassen konnte, um das Tier anzuspornen, lief das Pferd schneller, als wäre es telepathisch mit ihr verbunden.
    Dann hatten sie das Haus hinter sich gelassen und flohen parallel zum Weg über die Wiese, der weniger als eine halbe Meile östlich liegenden Landstraße entgegen. Das leichtfüßige Pferd ließ die gewaltigen Laufmuskeln spielen, der ausgereifte Schritt war so einlullend rhythmisch und erhebend, daß Chrissie die Holperigkeit des Ritts bald gar nicht mehr bemerkte; es war, als würden sie beinahe fliegend über den Boden gleiten.
    Sie sah über die Schulter, konnte aber die zwei gebückten Gestalten nicht erkennen, obwohl sie ihr zweifellos immer noch durch die vielschichtigen Schatten folgten. Die Sicht war schlecht, da das trübe, rote Leuchten am westlichen Ho rizont zu Purpur wurde, die Lichter des Hauses rasch zu rückblieben und die Mondsichel erst einen silbernen Punkt über der Hügelkette im Osten bildete.
    Sie konnte die Verfolger, die zu Fuß unterwegs waren, zwar nicht sehen, dafür aber die Scheinwerfer von Tuckers blauem Honda um so deutlicher. Tucker wendete den Honda vor dem Haus, das mittlerweile ein paar hundert Meter hinter ihr lag, und fuhr den Weg entlang, um an der Jagd teilzunehmen.
    Chrissie war ziemlich fest davon überzeugt, daß Godiva schneller als jeder Mensch oder jedes Tier laufen konnte, abgesehen von einem besseren Pferd, aber sie wußte, daß das Pferd es nicht mit dem Auto aufnehmen konnte. Tucker würde sie innerhalb von Sekunden eingeholt haben. Sie sah das Gesicht des Mannes in der Erinnerung deutlich vor sich: die knochige Stirn, die spitze Nase, die tiefliegenden Augen, die harten schwarzen Murmeln glichen. Er hatte auch diese Aura unnatürlicher Vitalität um sich gehabt, die Chrissie manchmal bei ihren Eltern bemerkt hatte - überschüssige, nervöse Energie, verbunden mit diesem seltsam hungrigen Ausdruck. Sie wußte, er würde alles tun, um sie aufzuhalten, er würde vielleicht sogar versuchen, Godiva mit dem Honda anzufahren.
    Aber er konnte Godiva mit dem Auto selbstverständlich nicht über Land folgen. Chrissie setzte zögernd das Knie und die rechte Hand in der Mähne dazu ein, das Pferd vom Weg und der Landstraße abzuwenden, wo sie am wahrscheinlichsten Hilfe gefunden hätten. Godiva reagierte ohne zu zögern, und dann ritten sie auf den Wald zu, der fünfhundert Meter südlich am anderen Ende der Wiese lag. Chrissie konnte den Wald lediglich als schwarze, struppige Masse ausmachen, die sich vor dem nur unwesentlich helleren Himmel abhob. Die Einzelheiten des Geländes, über das sie ritt, waren ihr besser in Erinnerung als sie sie sehen konnte. Sie betete, daß das nächtliche Sehvermögen des Tieres besser als ihres sein möge.
    »Du bist mein altes Mädchen, lauf, lauf, gutes altes Mädchen, lauf!« rief sie dem Pferd ermutigend zu.
    Sie erzeugten ihren eigenen Wind in der frischen, stillen Luft. Chrissie bemerkte Godivas heißen Atem, der als kondensierter Dampf an ihr vorbeiwehte, und ihren eigenen, der aus ihrem Mund drang. Ihr Herz schlug im Einklang mit dem Pochen der Hufe, und ihr war fast, als wären sie und Godiva nicht Reiter und Pferd, sondern ein Wesen mit ein und demselben Blut und Herz und Atem.
    Sie floh zwar um ihr Leben, war aber dennoch ebenso aufgeregt wie ängstlich, und diese Erkenntnis verblüffte sie. Sich dem Tod gegenüberzusehen - oder in diesem Fall möglicherweise etwas Schlimmerem als dem Tod -, war besonders aufregend und auf eine dunkle Weise und in einem Ausmaß faszinierend, das sie sich nie hätte vorstellen können. Sie fürchtete sich vor diesem unerwarteten Kitzel fast ebensosehr wie vor den Leuten, die sie verfolgten.
    Sie klammerte sich fest an den
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