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Mittelalterliche Klöster: Deutschland - Österreich - Schweiz

Mittelalterliche Klöster: Deutschland - Österreich - Schweiz

Titel: Mittelalterliche Klöster: Deutschland - Österreich - Schweiz
Autoren: Jens Rüffer
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Forderung mit der Klerikalisierung des Mönchtums endgültig passé. Laienbrüdern, die ohne Weihe als Erwachsene ins Kloster eintraten, fiel die organisatorisch-materielle Sicherstellung des klösterlichen Lebens zu. Sie erhielten dafür zwar spirituellen Lohn, doch schrieben sie auch eine Arbeitsteilung in geistige und körperliche Tätigkeiten fest. In jener Zeit muss das Leben als conversus oder frater exterior eine relativ hohe Attraktivität besessen haben. So berichtet Bernold von Sankt Blasien († 1100) in seiner Chronik zum Jahr 1083, dass in Hirsau, Schaffhausen und Sankt Blasien viele Adlige auch als Laienbrüder eintraten. Sie seien sich nicht zu schade gewesen, in Küche und Bäckerei den Brüdern zu dienen sowie deren Schweine zu hüten. Die Klostergemeinschaft, so Klaus Schreiner, gebot eine schichtenübergreifende gesellschaftliche Homogenität. Die an ständischen Leitbildern orientierte Lebenspraxis sollte durch ein christliches Ethos ersetzt werden.
    Eine Schnittstelle zur Welt, zugleich aber auch ein Gebot klösterlicher caritas war die Fürsorge für |20| Arme und Kranke, für Pilger und Reisende. Kellermeister, Gastmeister und Almosenverwalter waren hier besonders in der Pflicht. Gleichwohl gab es bei der Armenfürsorge und Gästebetreuung ständische Unterschiede, obwohl Benedikt eine Betreuung vor allem nach dem Grad der Bedürftigkeit forderte. Arme hätten also mehr Aufmerksamkeit erhalten müssen als Reiche. Ganz in der Tradition Clunys wurde in Hirsau die Armenfürsorge mit dem Totengedächtnis verknüpft. Im Gegensatz zu Cluny, wo die diesbezüglichen Ausgaben aufgrund der extensiven Gebetsverbrüderung das Kloster an den Rand des finanziellen Ruins trieben, beschränkte Abt Wilhelm die Ausgaben. Nur zu den Anniversarien der Äbte und Stifter waren zwölf Arme zu verköstigen.

    12 ▲ Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. hist. qt. 147, f. 1v. Die Miniatur aus dem Codex traditionum monasterii Reichenbachensis (um 1150) zeigt Abt Wilhelm von Hirsau mit Stab, Albe und Pluviale. Es ist die einzig überlieferte Darstellung des berühmten Abts.
    Die Hirsauer Reform war eine Reform von „oben“ im Kontext des Investiturstreites. Cluny vergleichbar wurden meist bestehende Klöster auf Wunsch der Eigenkirchenherren reformiert, indem man diese in die (vorübergehende) Obhut des Abtes von Hirsau gab oder temporär Mönche aus Hirsau anforderte, um den alten Konvent an den neuen Gewohnheiten zu schulen. Die Hirsauer Reform führte weder zu einer ordensähnlichen Struktur noch zu einem fest umrissenen Klosterverband, der äußerlich zu einer überregionalen architektonischen Formensprache fand, wie sie die ältere kunsthistorische Forschung lange zu beweisen suchte. Bereits erste Untersuchungen zu einer kritischen Edition der Consuetudines zeigen, dass selbst grundlegende Vorstellungen Abt Wilhelms, wie die Investitur des Abtes durch den Ortsbischof oder die Verweigerung der Annahme von Kleinkindern ( pueri oblati ), nicht sklavisch übernommen wurden. Die Untersuchung der Klosterarchitektur wird zeigen, dass sich die Forschung vom Gedanken einer „Hirsauer Bauschule“ längst verabschiedet hat.
    Die Hirsauer Reform wirkte ein halbes Jahrhundert. Bereits im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts forderte Papst Innozenz II. (1130 – 1143) die Zisterzienser auf, Mönche, die aus Hirsau entlaufen waren, nicht aufzunehmen. Die Bitte kam vom Hirsauer Abt Volmar (1120 – 1156). Das Kloster hatte seinen Zenit überschritten und die stella matutina ihre Leuchtkraft verloren.
    4. Das Reformmönchtum im 12. Jahrhundert
    I m ausgehenden 11. Jahrhundert kam es zu einer Reihe von Reformbestrebungen innerhalb des Mönchtums, die die gesamte Spanne vom eremitischen bis zum zönobitischen Mönchtum umfasste. Beklagt wurde weniger ein Verfall individueller Frömmigkeit als vielmehr eine zunehmende Verflechtung des Mönchslebens mit der Welt, sodass das Ideal kontemplativen Lebens, die Zwiesprache des Einzelnen mit Gott, in Gefahr zu geraten schien. Die Gründe für dieses Unbehagen waren vielfältig: Klerikalisierung des Mönchtums, eine stetig steigende Zahl von Privatmessen, zunehmende Einbindung der Mönche in Pfarraufgaben bis hin zur Missionierung. Andererseits milderten materieller Wohlstand und gestiegener Lebensstandard die vormals strenge Askese. Äbte, die zugleich als Grundherren agierten, führten sich auf wie Fürsten. Schließlich wurde auch die strikte Abgeschiedenheit des Lebens in
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