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Miteinander reden von A bis Z

Miteinander reden von A bis Z

Titel: Miteinander reden von A bis Z
Autoren: Friedemann Schulz von Thun , Kathrin Zach , Karen Zoller
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«Meine Güte, Sie finden auch überall ein Haar in der Suppe!»

Ambivalenz
    («zwiespältige Bewertung») ist ein seelischer Zustand, bei dem jemand zwischen zwei Seiten hin- und hergerissen ist. Beispiel: Eine Jugendliche will für ein Jahr nach Australien. Die Mutter steht dem ambivalent gegenüber: Einerseits bewundert sie den Mut ihrer Tochter und sieht in der Reise große Entwicklungschancen. Andererseits ist sie voller Angst und Sorge über mögliche Gefahren. Im Zustand der Ambivalenz ist eine klare und eindeutige Kommunikation erschwert. Das Modell vom →   Inneren Team stellt die Zerrissenheit bildhaft dar und bietet konstruktive Möglichkeiten zur Selbstklärung (s. Abb.  3 ).
    Abb.  3 :
    Ambivalenz im Inneren Team
    Von Ambivalenzspaltung spricht man, wenn die beiden entgegengesetzten Impulse von zwei ambivalenten Menschen arbeitsteilig gefühlt und vertreten werden. Im Beispiel: Der Vater spürt nur die «tolle Chance», die in dem Auslandsaufenthalt steckt (und fühlt seine Angst nicht), die Mutter nur noch die Sorge. Ursprünglich haben beide Eltern beide Seelen in der Brust, aber im Kontakt miteinander polarisieren sie sich ( →   Polarisierung ). Eine solche Ambivalenzspaltung ist auch in der politischen Kommunikation ein bekanntes Phänomen: Zum Beispiel ist die eine Gruppe hundertprozentig pazifistisch eingestellt und verteufelt mögliche militärische Einsätze als kriegslüstern, die andere Gruppe tritt zu hundert Prozent für die humanen Ziele eines militärischen Engagements ein und verteufelt die «feige Mentalität des Wegschauens» bei den Pazifisten.
    Der seelische «Vorteil» einer solchen Spaltung liegt in der (scheinbaren) Erlösung von der Ambivalenz: Der innerseelische Kampf wird auf die zwischenmenschliche Ebene verlegt. Als Klärungshelfer bemühen wir uns, die Spaltung rückgängig zu machen, sodass im Gegner jemand entdeckt werden kann, der ein Anliegen vertritt, das auch in der eigenen Brust schlägt. Aus dieser Sicht wird das
Aushalten von Ambivalenz
zu einem wichtigen Teil der emotionalen Kompetenz.
    Literatur
    Miteinander reden 2 , S.  147 ff. (S.  125 ff.)

Anliegen
    In Kommunikationsseminaren werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer individuell eingeladen, ein Anliegen zu formulieren. Das ist eine persönliche Fragestellung, die mit dem Wunsch verbunden ist, durch →   Selbstklärung und →   Beratung zu einer Lösung zu kommen. Eine Frau möchte lernen, sich im Konflikt mit ihrem Mann besser abzugrenzen, eine Studentin möchte ihre Arbeitsstörungen überwinden, ein Polizist will seine Ambivalenz gegenüber einem Einsatz bei Atommüll-Transporten klären. Mit diesen Themen, die mal mehr und mal weniger scharf umrissen sind, kommen Menschen in die Beratung.
    Damit der Berater den Ratsuchenden bestmöglich unterstützen kann, braucht er einen konkreten Auftrag. Aus dem Beratungsthema, beispielsweise die Abgrenzung gegenüber dem Ehemann, soll ein Anliegen formuliert werden. Dieses wird in unserer Praxis meist als Frage formuliert: «Wie kann ich …?» In diesem Beispiel: «Wie kann ich meinem Mann deutlich sagen, dass ich zu Hause nicht die Putzfrau bin und von ihm erwarte, dass er nicht überall alles liegen lässt?»
    Je nach Thema kann das Anliegen einen systemisch-strukturellen, zwischenmenschlichen oder innermenschlichen Schwerpunkt haben:
    Anliegen mit
systemisch-strukturellem
Schwerpunkt beziehen sich im Wesentlichen auf den Aufbau, die Struktur und die Organisation eines Systems: «Wie kann ich als Abteilungsleiter die Vernetzung zweier Gruppen verbessern?» «Wie kann die Personalentwicklung ins strategische Management einbezogen werden?»
Anliegen mit dem Schwerpunkt im
Zwischenmenschlichen
richten sich auf die Kontakt- und Beziehungsgestaltung: «Wie kann ich meinen Chef kritisieren, ohne dabei aus der Rolle zu fallen?» «Wie bekomme ich einen besseren Draht zu meinen Studierenden?»
Bei Anliegen, die einen Schwerpunkt im
Innermenschlichen
haben, geht es oft um persönliche Entwicklung: «Wie kann ich lernen, mir mehr Zeit für mich selbst zuzugestehen?» oder «Ich möchte mich entscheiden, ob ich beruflich noch einmal einen Neuanfang wage oder im sicheren Hafen auf die Pensionierung warte.»
    Findet die Anliegenbearbeitung in einer Gruppe statt, beispielsweise im Rahmen eines Kommunikationsseminars, würde der Ratsuchende (der «Protagonist») zunächst der Gruppe und der Leiterin sein Anliegen vorstellen, oft mit Hilfe eines kleinen Schaubildes,
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