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Mit Pflanzen verbunden

Mit Pflanzen verbunden

Titel: Mit Pflanzen verbunden
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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auf ihre Art und Weise. Jede hat ihr ganz besonderes Verhältnis zu den kosmischen Rhythmen, zu den Jahreszeiten, zu Sonne, Mond und den Planeten. Manche, wie der Bärlauch, stecken voller Frühlingskräfte, im Mai verblühen sie und ziehen sich wieder unter die Erde zurück; andere, wie das Johanniskraut, haben ihre hohe Zeit im Mittsommer, wieder andere dagegen, wie die Astern, Berufskräuter und Goldruten, im Herbst; und einige wenige, wie die Herbstzeitlose oder die Nieswurz, sogar im Winter.
    Jede Art hat ihr besonderes Verhältnis zur Erde und zum Wasser: Einige wurzeln tief, andere nicht, einige brauchen Schatten, andere volles Licht, einige leben in Sümpfen, andere auf trockenen, steinigen Böden. Jede Art ist ein Archetypus und in dem Sinn ein Individuum, ein eigenes Wesen, eine „Persönlichkeit“. Jede Art – das wusste man noch im Mittelalter – ist mit einer Region des Tierkreises verbunden und hat eine besondere Beziehung zu einem oder mehreren Planeten. Und wenn so ein als Pflanze inkarnierter Archetypus dich auserwählt, indem er an dein Bewusstsein anklopft wie der Heiland an der Seelentür, und du nimmst ihn aus freiem Willen als deinen Freund an und öffnest ihm die Tür, dann kann er auch deine Zerbrochenheit heilen.
    Die Pflanzen suchen dich. Sie suchen sich Menschen, so wie der Mensch sich ein Haustier suchen würde, mit dem er Kurzweil treiben und seine Freude haben kann.
Eine andere Art, Pflanzen zu verstehen
    Für einen studierten Biologen grenzen solche Gedankengänge natürlich an Wahnsinn. Mein Freund Harald, ein Arzt für Allgemeinmedizin, hält auch nicht viel davon. Er fragte: „Pflanzliche Verbündete, wie soll man das verstehen? Wie können Pflanzen Verbündete sein? Das würde ja voraussetzen, dass sie ansprechbare Persönlichkeiten sind, dass sie fühlen und denken können. Dabei handelt es sich bei ihnen doch nur um stumme, vor sich hinwuchernde Zellgebilde – zugegeben, mit genetischer Programmierung, aber ohne Nerven, ohne Hirn, ohne innere Organe und völlig ohne Bewusstsein. Das weiß doch jedes Schulkind! Kein Zweifel, sie haben ästhetische Reize, können als Symbole herhalten – etwa die Rose als Symbol für weibliche Schönheit, das Veilchen als Zeichen der Demut –, können Poeten zu lyrischen Höhenflügen anregen. Aber das sind unsere subjektiven Empfindungen. Ob sie an sich schön sind, das sei dahingestellt. Und selbstverständlich ist ihr wirtschaftlicher Nutzen enorm … Wie kommst du überhaupt auf solch merkwürdige Ideen?“
    Ich erzählte ihm von meinen Wanderungen mit dem alten Cheyenne-Medizinmann Tallbull, der mit den Pflanzen, dem „grünen Volk“, redete und nicht nur über sie, der ihnen im Herbst „Decken“ – kleine Stoffstreifen – brachte, damit sie es im Winter nicht zu kalt haben, der mit dem „Pflanzenhäuptling“ Tabak rauchte, wenn er ihn darum bat, Heilpflanzen sammeln zu dürfen. Der alte Indianer, der das tat, war kein Spinner, sondern ein Stammesältester, der höchste Verantwortung trug. Auch erzählte ich meinem skeptischen Freund von Schamanen aus aller Welt, die es ganz ähnlich tun, und von unseren eigenen heidnischen Vorfahren, die – wie etwa der angelsächsische Neunkräutersegen (Lacnunga) zeigt – die Pflanzen mit wohlerwogenen Worten anredeten, so wie man Fürsten oder Gottheiten anredete.
    „Ach so? Die Indianer haben es dir gesagt?“, meinte er mit einer wegwerfenden Geste. Er glaubte nun mal an den Fortschritt. „Nun, das ist sehr interessant, aber es entspricht nicht der Realität. Es handelt sich um kollektive Fantasien, die sich mittels moderner Psychologie, insbesondere durch Hirnforschungen und Psychoanalyse, erklären lassen. Glaubst du das etwa nicht? Du sagst, diese Vorstellungen beruhen auf Visionserlebnissen der Indianer und anderer Naturvölker? Nun, Visionssuche ist lediglich eine psychosomatische Technik, die wahrscheinlich schon in der Steinzeit entwickelt wurde und die durch Fasten, Schlafentzug und eventuell durch Einnahme toxischer Substanzen, also Psychopharmaka, eine Art Nahtoderfahrung induziert, so dass Halluzinationen erzeugt werden. Diese sind aber rein subjektiv und entsprechen keiner Realität. Redende Bäume gibt es nicht. Und auch nicht Verbündete aus dem Reich des ‚grünen Volkes‘.“
    „Du schaust ja nur auf die Oberfläche und begnügst dich lediglich mit dem, was man wiegen und messen kann“, versuchte ich mich zu verteidigen. „Das ist aber gar nicht so modern, wie du
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