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Mit Konfuzius zur Weltmacht

Mit Konfuzius zur Weltmacht

Titel: Mit Konfuzius zur Weltmacht
Autoren: S Aust
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Porträt am Brandenburger Tor hängen«, erregt sich Jung Chang, die Englischstudentin von damals, inzwischen weltweit bekannt durch ihren Bestseller Wilde Schwäne von 1991.
    China bekennt sich in der Verfassung weiter zum Maoismus. Präsident Hu Jintao sagt: »Für immer und unter allen Umständen werden wir das Banner der Mao-Zedong-Ideen hochhalten.«
    Auch einfachen Chinesen fällt es schwer, sich von ihm zu lösen. Heute in Maos Geburtsort Shaoshan: Der »Große Vorsitzende« thront auf einem Sessel und raucht. Vor der Marmorstatue wirft sich eine Bäuerin auf den Boden. Touristen aus Peking prosten Mao mit Schnaps zu, wie sonst in China Trauernde am Grab den verstorbenen Eltern. Ein junges, elegant gekleidetes Paar aus der Provinz Anhui und seine zwölfjährige Tochter zünden Räucherkerzen an wie in einem Tempel: »Der Vorsitzende Mao wird unsere Familie segnen.« Jedes Jahr pilgern anderthalb Millionen Chinesen nach Shaoshan. Nicht alle kommen freiwillig. Vor einer sechs Meter hohen Bronzestatue des Diktators fahren zwei Busse mit Lehrern aus der Provinz Hubei vor, denen dieser Besuch von der Schulbehörde verordnet wurde. Sie falten die Hände und beten den Atheisten Mao an. »Sie können sich jetzt etwas wünschen, der Vorsitzende Mao wird Sie erhören«, brüllt die Reiseführerin in ihr Megafon. Mao ließ Tempel, Moscheen und Kirchen sprengen – und soll jetzt selbst Gott sein?
    »Das entspricht unserer chinesischen Tradition«, sagt Tian Haiming. »Konfuzius war auch erst ein Mensch. Später wurde er wie ein Gott verehrt.« Der Bildhauer stellt Mao-Statuen her, von der Schreibtischfigur bis zur überlebensgroßen Skulptur für den Garten. Tian verdient nicht nur an Mao, er glaubt auch an ihn. Besucher führt er zu einem Berg, der die Form von Maos Gesicht angenommen haben soll – ein Wunder, das sich nur Tiefgläubigen erschließt.
    Ein großer Führer? Gott? Die chinesische Autorin Jung Chang hat sich zwölf Jahre lang mit Mao beschäftigt, gemeinsam mit ihrem Mann, dem britischen Historiker Jon Halliday. Sie interviewten Hunderte Zeitzeugen innerhalb und außerhalb Chinas, die Mao getroffen hatten, durchstöberten Archive in zehn Ländern. Herausgekommen ist dabei die bisher umfassendste Mao-Biografie.
    Als Mao starb, hatte Jung Chang ihren Kopf auf die Schulter einer Mitstudentin gelegt, um ihre Freude zu verbergen. Ihr Vater war in einem von Maos Arbeitslagern ums Leben gekommen. »Ich habe mich in dem Buch Mao vorurteilsfrei genähert«, versichert sie. Das verblüffende Ergebnis: Fast alles, was in China – und von Nachbetern im Ausland – über Mao erzählt wird, stimmt nicht. Das fängt mit einfachen Daten an. Die Kommunistische Partei Chinas wurde 1921 von Mao gegründet, heißt es in China. 2011 wurde der angebliche 90. Jahrestag groß gefeiert. Die »Gründungsstätte« in Shanghai gehört heute zu den Sehenswürdigkeiten für Touristen. In Wahrheit trafen sich dort Genossen einer bereits existierenden Partei. Sie entstand schon 1920, allerdings ohne Mao. Der sah sich zu jener Zeit noch um, welche politische Gruppe ihm die beste Aussicht auf Karriere bot. »Menschen wie ich sind nur sich selbst verpflichtet, wir haben keine Verpflichtungen anderen gegenüber«, notierte er, ein junger Mann fern von den Sitten des Konfuzius und den chinesischen Traditionen.
    Die KP-Führer preisen Mao in Sonntagsreden, er habe die Bauern befreit. Jung Changs Buch ist voll von schier unglaublichen Geschichten über diese »Bauernbefreiung«. Sie befragte nicht nur Opfer, sondern auch Maos engste Kampfgefährten. Chinas Regierung warnte diese davor, mit der abtrünnigen Autorin zu sprechen, doch Chang stellt fest: »Sie schmachten danach, die Wahrheit zu erzählen.« So schildert eine beteiligte KP-Funktionärin, was in Maos »Befreiungskrieg« 1947 passierte: Rotarmisten klopften in der Region Yan’an an jede Hütte, forderten die Bauern auf, Getreide abzugeben für die revolutionäre Truppe. »Ich habe nichts«, wimmerte eine junge Mutter. Die Revolutionäre packten sie und schleppten sie mit ihrem Baby zum Dorfplatz. Dort fesselten sie die Frau, und der Kommandant schlug sie mit einem Stock, riss ihr die Bluse vom Leib, und da sie noch stillte, tropfte Milch herab. Das Baby weinte und krabbelte auf dem Boden, versuchte Milchtropfen aufzulecken. Immer mehr Schaulustige sammelten sich. Einer überragte sie alle, war 1,83 Meter groß. Er trug einen einfachen Soldatenmantel, und alle hörten ihm respektvoll
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