Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Herz und Skalpell

Mit Herz und Skalpell

Titel: Mit Herz und Skalpell
Autoren: Julia Schoening
Vom Netzwerk:
vorhin noch so gestrahlt. Was ist los?« Er rückte einen Stuhl für sie zurecht, wies einladend darauf und nahm selbst ihr gegenüber am Schreibtisch Platz.
    »Danke.« Alexandra folgte seiner Aufforderung. Ihre Hände verknoteten sich ineinander. Sie hatte nicht damit gerechnet, sich auf einmal so unsicher zu fühlen wie selten zuvor. Nicht mal bei einer ihrer großen Prüfungen war sie so aufgeregt gewesen.
    Wie immer schenkte Rainer ihr ein fast väterliches Lächeln. »Worüber möchtest du mit mir reden?«
    Alexandra kämpfte gegen das Engegefühl in ihrer Kehle an. »Vielleicht wird es dich etwas überraschen«, begann sie. »Aber ich möchte nicht länger darüber schweigen.« Sie spürte, wie die Arterien in ihrem Hals pulsierten.
    »Glaub mir, einen alten Mann wie mich kann nichts mehr schocken.«
    Alexandra zog eine Grimasse. »Da wäre ich mir nicht so sicher.« Ihr Fuß wippte auf und ab. Es war doch schwerer als erwartet, die richtigen Worte zu finden.
    »Was bedrückt dich?« Rainer sah sie aufmunternd an. »Du weißt doch, dass du immer mit mir reden kannst.«
    »Das ist genau der Grund, warum ich zuerst zu dir komme.« Alexandra atmete noch einmal tief durch, dann begann sie endlich zu erzählen. Sie beichtete Rainer alles: von Melanie und ihrer damaligen Affäre, von Melanies Erpressung und schließlich von Linda. Mit jedem Wort wurde es leichter, mit jedem Satz fiel ein weiteres Stück der Last von ihr ab. Ihr Fuß hörte auf zu wippen, und ihr Puls beruhigte sich ein wenig.
    Rainer hörte die ganze Zeit schweigend zu. An seinem Gesichtsausdruck konnte Alexandra nicht ablesen, was er dachte.
    »Tja«, beschloss sie schließlich ihren Monolog, »und jetzt werde ich es offiziell machen, dass ich Linda liebe. Wahrscheinlich sind meine Chancen, deine Stelle als Leitende Oberärztin zu übernehmen, damit hinüber. Aber es gibt keinen anderen Weg für mich. Ich hoffe, du kannst mir das verzeihen.«
    In der Stille, die ihren Worten folgte, überkam sie die Nervosität von neuem wie ein eisiger Regenguss.
    Rainer drehte einen Stift zwischen seinen Fingern und wirbelte ihn mehrfach herum. »Ich muss zugeben, ein bisschen hast du es jetzt doch geschafft, dass ich alter Mann überrascht bin«, sagte er.
    Alexandra wischte ihre Finger an ihrer weißen Hose ab. »Wusste ich es doch«, nuschelte sie.
    »Allerdings weniger davon, dass du mit Linda zusammen bist«, fuhr Rainer unbeeindruckt fort. »Du solltest mal dein Strahlen in ihrer Nähe sehen, das Leuchten in deinen Augen, wenn du von ihr sprichst. Da hätte ich blind sein müssen, es nicht zu bemerken.«
    Alexandra wurde rot. War es so offensichtlich gewesen? »Und?«, brachte sie mühsam hervor. Schließlich wusste sie immer noch nicht, was Rainer von der ganzen Geschichte hielt.
    »Und, was?«, fragte er zurück. »Glaubst du, ich schwinge jetzt den moralischen Zeigefinger? Oder ich verurteile dich, weil du eine Frau liebst? Und noch dazu eine aus unserer Klinik?«
    Alexandra hob die Schultern. »Vielleicht. Ich weiß ja nicht . . .«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass du so ein Bild von mir hast«, unterbrach Rainer sie mit gespielt tadelnder Miene. »Ich freue mich doch für dich, wenn du glücklich bist. Allerdings hast du mich schon damit schockiert, dass du vorher mit Melanie . . .« Er schüttelte den Kopf, jetzt leicht angewidert.
    »Ja«, seufzte Alexandra. »Das verstehe ich heute auch nicht mehr.«
    Rainer wurde wieder ernst. »Aber in einem kannst du dir sicher sein: Melanie wird mit ihrem Komplott nicht durchkommen. Ich werde mich persönlich für dich einsetzen. Denn du bist einfach die Beste für die Stelle. Und was du privat treibst, ist mir ganz egal und sollte allen anderen ebenfalls ganz egal sein.« Er faltete die Hände. »Aber eines ist mir nicht egal – Jochen wird nicht Leitender Oberarzt werden. Das wäre eine Katastrophe.«
    Eine Welle der Erleichterung erfasste Alexandra. »Meinst du das ernst?« Ihr Herz begann schon wieder schneller zu klopfen, aber diesmal vor freudiger Überraschung.
    Rainer nickte. »Selbstverständlich. Du kannst dich auf mich verlassen.« Er stand auf, kam um den Tisch herum und klopfte ihr ermutigend auf den Rücken. »Du darfst nicht aufgeben. Versprochen?«
    Unwillkürlich musste Alexandra grinsen: »Dieses Versprechen musste ich gestern schon wem anders geben.«
    »Zufällig einer kleinen blonden Frau mit grünen Augen?«, fragte Rainer augenzwinkernd.
    Alexandra hob eine Augenbraue.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher