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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde
Autoren: Petra Oelker
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der Stadt wahrlich keine Ehre, es war längst samt dem angebauten Niederngericht reif zu Abbruch und Neubau. Aber sie wollten sparen, die Herren mit den weißen Halskrausen, und ließen immer nur an dem alten Gemäuer herumwerkeln. Seit zwölf Jahren stützte ein eingezogener Pfeiler mitten im Ratssaal die alte Decke, einmal war schon ein Stein herausgefallen, während einer Sitzung – da sollte noch einer behaupten, die Ratsherren besäßen keinen Mut. Sie waren so todesmutig wie knauserig.
    Er hatte von jeher seine Differenzen mit der Obrigkeit gehabt, vor allem mit der Dummheit mancher als bedeutend geltender Männer, auch das war bekannt und hatte ihn zweifellos einige lukrative und reizvolle Bauaufträge gekostet, vom Amt des Stadtbaumeisters gar nicht erst zu reden.
    Leider war er nicht reich genug, um sich leisten zu können, stets zu sagen, was er dachte. Obwohl es verlässliche einflussreiche Freunde und Kenner seiner Kunst in der Stadt gab, sollte er dafür sorgen, dass seine Gegner und Feinde nicht mehr wurden. Ja, er musste unbedingt besser achtgeben. Wie oft hatte er sich das schon vorgenommen?
    Er blieb stehen, blinzelte durch die Sonne zur breiten, mit den Statuen der von einundzwanzig deutschen Kaisern und Königen geschmückten Fassade des Rathauses, weiter zur Börse hinüber und verzog spöttisch den Mund. So viel zum freien Willen und zur Selbstzucht, dachte er und war diesmal ganz sicher, nur gedacht und nicht gesprochen zu haben.
    Dabei wäre es gerade in diesem Moment einerlei gewesen.Niemand beachtete den Baumeister, alles scharte sich um ein Grüppchen von Männern und Frauen vor der Bücherbude bei der Trostbrücke. Wer keine Zeit hatte, stehen zu bleiben, um den Grund der Aufregung zu erkunden, machte im Vorbeigehen einen langen Hals und spitzte die Ohren. Sonnin hatte auch keine Zeit, doch was er jetzt hörte, ließ ihn das vergessen.
    «Ich hab’s immer gesagt», schrie ein vom Eifer rotgesichtiger Mann, in dem Sonnin den Büchsenschmied Murke aus der Spitaler Straße erkannte, und schwenkte eine Broschüre. Ihn hatte die Milde des Tages offensichtlich unberührt gelassen. «Ein Physikus? Ein Minister? Ein Graf? Dummes Zeug! Ein Teufel auf Erden, das ist er gewesen! Ein Verräter, Kindsmörder und Menschenverderber.»
    «Sittenstrolch», rief ein anderer mit meckerndem Lachen, «Ihr habt Sittenstrolch vergessen!»
    «Lüstling», piepste eine weibliche Stimme dazwischen, und eine Woge von Gelächter ging durch die Menge, doch niemand widersprach.
    «Pass bloß auf, Jan Murke», mahnte eine dicke, sommersprossige Frau, die ihren mit Walnüssen gefüllten Korb gegen das Drängen der Leute umklammert hielt. «Teufel bleibt Teufel, auch wenn die Dänen ihm den Kopf abgeschlagen haben. Das macht dem gar nichts. Pass bloß auf, dass er nicht beim nächsten Gewitter angesaust kommt und dich holt. Ich hör’s schon donnern.»
    Für eine Sekunde war es totenstill, dann ging das Geschrei weiter. Sonnin befahl sich, nicht mehr zuzuhören, und drängte durch die Reihen. Er würde keinen Pfennig ausgeben für ein solches Pamphlet, er hatte genug von dem Schund in den Fingern gehabt, aber er wollte es sehen. Er wollte wissen, ob irgendjemand – ob in Kopenhagen oderhier an der Elbe – noch etwas Neues zu Aufstieg und Fall des Dr.   Johann Friedrich Struensee erdacht hatte.
    Der Pächter der Bücherbude stand hochzufrieden mit vor dem Bauch gefalteten Händen hinter seinem Tresen und sah aus wie ein Goldsucher, der auf eine dicke Ader gestoßen ist. Die Hinrichtung des dänischen Ministers und tatsächlichen Regenten, der einmal Armenarzt im benachbarten Altona gewesen war, lag nun schon ein halbes Jahr zurück, trotzdem tauchten immer noch Flugschriften auf, die sich verkauften wie Brot während einer Hungersnot. Manche waren vielblättrig wie ein Buch, fast alle gehässige, geifernde Pamphlete, die nach Sonnins Meinung mehr über Geisteshaltung und Moral ihrer Verfasser aussagten als über den Mann, der an seinen unmäßigen Ambitionen – sicher auch an der Liebe zu seiner Königin – gescheitert, wegen Majestätsbeleidigung im Höchsten Grad und Hochverrats angeklagt, verurteilt und hingerichtet worden war. Ermordet, sagten manche, doch das waren wenige. Die Sache mit dem Teufel war nun wirklich nicht neu, aber Satan, Unzucht und Verrat verkauften sich immer gut.
    «Und ich hab auch gesagt, was hier steht.» Der Büchsenschmied übertönte alle. «Der Kerl lebt! Struensee lebt.»
    Wieder
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