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Mit 11 erobert man die Welt

Mit 11 erobert man die Welt

Titel: Mit 11 erobert man die Welt
Autoren: Tina Caspari
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sicher ein Fünfer, wetten?“
    „Quatsch.“
    „Wieso Quatsch?“ fragte Anja gereizt zurück.
    „Weil du von mir abgeschrieben hast. Entweder ist es ein Sechser, weil sie’s gemerkt hat, oder ein Einser.“
    „Du hast Nerven. Das meinst du doch nicht im Ernst?“
    „Wart’s ab.“
    „Ganz schön eingebildet“, zischelte jemand hinter Katja.
    Katja grinste. Es war unzweifelhaft ein Vorteil, zwei Jahre in eine englische Schule gegangen zu sein. Als sie vor einem Jahr in Deutschland in die vierte Klasse der Grundschule gekommen war, hatte das niemanden interessiert. Man hatte sie mit Neugierde, aber auch mit Mißtrauen betrachtet, und keiner hatte sich sonderlich um sie bemüht. In vier Schuljahren war die Klasse zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen, und Katja hatte sich als unwillkommener Eindringling gefühlt.
    Jetzt war das ganz anders. Im Herbst war sie ins Gymnasium übergewechselt, mit den nettesten aus ihrer vorigen Schule. Das war ein ganz anderes Leben. Nun gehörte sie zu den Großen. Unendlich fern lag die Zeit in der Grundschule zurück. Abends durfte sie jetzt eine
    Stunde länger aufbleiben, und Mami und Papi hörten ihr interessiert zu, wenn sie von ihren Erlebnissen am Vormittag erzählte. Mit denen, die aus derselben Grundschule gekommen waren wie sie, kam sie inzwischen echt gut aus. Plötzlich verstanden sie sich super, jetzt, da es darum ging, sich gegen die Neuen aus anderen Schulen durchzusetzen. Sie verbrachten ihre Freizeit miteinander, gingen zum Sport und ins Schwimmbad oder besuchten sich gegenseitig.
    Kein Wunder, daß sich Katjas Laune mit dem Betreten das Schulgeländes schlagartig gebessert hatte.
    Sie war gerade dabei, Englischbuch, Hefte und Federmappe aus der Schultasche zu nehmen, als Frau Kramer mit gewohntem Schwung in die Klasse segelte. Frau Kramer war klein und rund. Katja fand, daß sie sich fortbewegte wie ein Fußball, der sich, in hoher Geschwindigkeit rotierend, flach über dem Boden dem gegnerischen Tor näherte. Jedenfalls war sie genauso schnell - und genauso unberechenbar.
    „Guten Morgen, meine Schnäuzchen!“ posaunte die Kramer. Der Himmel wußte, warum sie ihre Schüler aus der Fünften mit „meine Schnäuzchen“ anredete. Wahrscheinlich war es ihre Art, den Neulingen auf dem Gymnasium das entgegenzubringen, was sie unter mütterlicher Zuwendung verstand. „Ich habe zwei Nachrichten für euch, eine gute und eine schlechte. Welche wollt ihr zuerst hören?“ rief sie und knallte die korrigierten Hefte aufs Pult.
    „Die gute!“ riefen die einen.
    „Nein, die schlechte!“ übertönten sie die anderen.
    „Also gut, die schlechte zuerst: Die Arbeit ist absolut miserabel ausgefallen. Drei Sechser, sieben Fünfer, zehn Vierer und ein paar Dreier... Und die gute Nachricht: Wir schreiben sie noch mal. Natürlich nicht die gleiche.“
    Alle sahen einander betreten an, während die Kramer die Hefte verteilte und dabei laut die Noten bekanntgab. Katja senkte enttäuscht den Blick. Nur ein Dreier? Das gab’s doch gar nicht! Und sie hatte so mit ihrem todsicheren Einser angegeben!
    „Oliver - Fünf! Constanze - Vier! Hanna - Sechs! Niko - Vier!“ tönte die Stimme der Kramer über ihren Kopf hinweg. „Anja - Drei!“ Aha, Anja hatte also perfekt abgeschrieben!
    Der Stapel Hefte wurde schnell kleiner, denn Frau Kramer klatschte jedem seine Arbeit mit geübtem Schwung auf den Tisch. Als Diskuswerferin wäre sie auch nicht schlecht, dachte Katja. Und wo bleibt mein Heft? Drei, zwei, eins..., es war keines mehr übrig. Die Kramer stutzte. Dann entdeckte sie ein letztes Heft auf ihrem Pult, hob es hoch, blätterte darin, las mit gerunzelter Stirn ein paar Sätze und schloß es seufzend, als hätte diese Arbeit höchstens die Note Sieben verdient. Sie wog es leicht in der Hand, zielte und schleuderte es flach so geschickt über mehrere Köpfe hinweg, daß es genau auf Katjas Platz landete.
    „Katja“, sie machte eine lange Kunstpause, „Eins! Eine bessere Note sieht unser System leider nicht vor, sonst hättest du sie bekommen.“
    „Wow!“, „Echt stark!“ und „Spitze!“ kamen die Zurufe aus der Klasse.
    Katja hatte das Gefühl, ein Stück zu wachsen. Gut Englisch zu sprechen war eine Sache. Gute Noten zu bekommen eine andere. Auf jeden Fall baute es einen unheimlich auf. Für einen Augenblick war sie der Star in der Klasse, alle sahen sie bewundernd an. Das war genau das, was sie als Gegengift gegen Tante Ottis Erziehungsversuche brauchte.
    In den
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